
Heft 07/1953
Schritte in eine bessere Zukunft: Vorschläge zur Umgestaltung unseres Theaterlebens
Broschur mit 64 Seiten, Format: 170 x 240 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen
Trotz unbestreitbarer Erfolge und einer beachtlichen Vorwärtsentwicklung seit 1945 sind wir mit mancherlei in unserem Theaterleben unzufrieden. Es ist keine schlechte, sondern eine im Grunde schöpferische Unzufriedenheit. Wir haben das Gefühl, es müsse schneller vorwärtsgehen.
Hinzu kommt, daß wir, ganz abgesehen von der großartigen Entwlicklung des sowjetischen Theaterlebens, die rasche und tiefgreifende Umgestaltung in den meisten Ländern der Volksdemokratien vor Augen haben. Unsere Delegationen berichten, und wir hören erstaunliiche Dinge - mit einem gewissen Mißbehagen, denn wir sagen uns sogleich: "Das müßte bei uns doch auch gehen!" Und mancher denkt im stillen: "Es müßte sogar besser und schneller gehen, denn wir haben auf diesem oder jenem Gebiet sogar günstigere Voraussetzungen." Unsere Zeitschrift berichtet; wir lesen es und grübeln: "Warum versuchen wir nicht Ähnliches?"Da führt man beispielsweise in der Sowjetunion die "Dekaden" der nationalen Theater durch. Oder wir hören von der alljährlichen "Theaterernte" in der Tschechoslowakei. Wie unvollkommen nimmt sich dagegen das aus, was wir nun schon seit drei Jahren versuchen! Oder wir lesen einen kleinen, bescheidenen Bericht von der "Rollenden Oper" in Ungarn. Könnten wir so etwas nicht längst organisiert haben? Die Beispiele ließen sich häufen.
Manchem scheint es, das seien "nur" praktische, "nur" organisatorische Dinge. Tatsächlich aber liegt eine Wechselwirkung vor. Oder ist es vielleicht ein Zufall, daß bei uns theoretisch schon seit 1945 der Kampf für die Arbeitsweise im Sinne Stanislawskis geführt, ja, daß sogar gesunde Ansätze zur Durchsetzung in der Praxis gemacht wurden, ohne daß wir bis heute von einem wirklich sichtbaren Erfolg wenigstens bei unseren führenden Theatern sprechen dürften?
Alle fortschrittlichen Bühnenkünstler haben erkannt, daß wir in der Deutschen Demokratischen Republik, in der Kunst - wenn sie nicht verkalken und absterben soll - kühn zu realistischer Gestaltung übergehen müssen. Sie haben erkannt, daß der Kampf gegen Formalismus und Kosmopolitismus nicht das Theoretisieren einiger Kunstkritiker und Kulturfunktionäre darstellt, sondern eine Lebensfrage für jeden wahrhaften Künstler bedeutet. Unsere Kunst soll konsequent realistisch und sie soll eine deutsche Kunst sein! Aber haben wir schon das beispielgebende deutsche Gegenwartstück? Ist die Frage nach einer neuen deutschen Oper, gar einer Nationaloper schon entscheidend aus dem Stadium des bloßen Fragens, Forderns und Theoretisierens hinausgetreten? Nein.
Und mit alldem und mehr sind wir unzufrieden. Nochmals: es ist eine gute, fruchtbare Unzufriedenheit.
Es gibt eine Voraussetzung hochstehender Bühnenkunst, über die sich nahezu ausschließlich alle Theaterleute einig sind: die Notwendigkeit der Ensemblebildung. Aber wie soll man zu solcher Ensemblebildung gelangen; wie soll man das Problem aus der Sphäre der - längst hundertfach gebilligten - Theorie in die Sphäre der praktischen Arbeit tragen, wo es einzig gelöst werden kann? [...].
Aus F. E.: Schritte in eine bessere Zukunft: Vorschläge zur Umgestaltung unseres Theaterlebens, S. 1
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