
Lektionen 4
Schauspielen Ausbildung
Herausgegeben von Bernd Stegemann
Taschenbuch mit 328 Seiten, Format: 135 x 205 mm
ISBN 978-3-940737-96-0, Originalpreis: € 18,00
- Basiswissen für Studium und Beruf
Ein Handbuch für angehende und professionelle Schauspieler, ihre Regisseure, Dramaturgen, Kritiker und Zuschauer.
„Der Schauspieler ist von der unbändigen Lust getrieben, sich unaufhörlich in andere Menschen zu verwandeln, um in den anderen am Ende sich selbst zu entdecken."
Max Reinhardt hat sie treffend beschrieben, die Lust des Schauspielers an der Verwandlung, den Traum, auf der Bühne zu stehen und die Zuschauer an seine Rolle glauben zu lassen. Ein Traumberuf, doch welche Fähigkeiten brauche ich, um Schauspieler zu werden? Wie bewerbe ich mich an einer Schauspielschule und was lerne ich dort? In diesem Buch vermitteln namhafte Lehrende der staatlichen Schauspielschulen die Grundlagen des Berufs und erläutern alle Aspekte der Ausbildung. Ergänzt wird der Band durch einen umfangreichen Anhang mit Informationen zur Aufnahme, zum Verlauf der Ausbildung und mit den Kontaktdaten der staatlichen Schauspielschulen.
Als Max Reinhardt 1905 die Schauspielschule des Deutschen Theaters gründete, wurde diese erste professionelle deutsche Schauspielschule mit viel Argwohn betrachtet. Zwei Fragen wurden seinem Gründer und den Lehrern gestellt: „Ist denn eine Kunst lehrbar, deren eigentliches Wesen im Gefühl liegt? Man hat Talent oder keines. Wozu lernen?“ Und ähnlich dringlich wurde die gegenteilige Behauptung als Frage gestellt: „Raubt nicht der Unterricht, der glättet, einteilt, seziert, gleich als wollte er die Staubfäden zählen, den Blütenstaub, den Reiz keuscher Unbefangenheit? Nimmt der Lehrer nicht mehr, als er zu geben vermag?“(1)
Beide Befürchtungen begleiten bis in die Gegenwart die Ausbildung an Kunsthochschulen. Wenn es eine gemeinsame Antwort hierauf gibt, so lautet sie wohl: Ohne Talent kann die beste Schule nichts ausrichten, doch sie kann helfen, die Begabungen zu entdecken und zu entwickeln. Für die zweite Befürchtung gilt, dass schlechte Lehrer vieles im angehenden Schauspieler verwirren und verschütten können. Die zahlreichen jungen Menschen, die jährlich die Ochsentour durch die neunzehn deutschsprachigen Schauspielschulen antreten, können hiervon berichten. Und die Lehrer an den Schulen, die sich mit der großen Schar an enthusiastischen jungen Menschen beschäftigen, um die wenigen herauszufinden, denen sie einen ihrer knappen Studienplätze anbieten können, mögen manchmal verzagen. Zu oft sind offensichtlich begabte Spieler durch manchmal jahrelange Erfahrungen in Laientheatergruppen oder die Vorbereitung selbsternannter Schauspiellehrer schon so beeinträchtigt, dass eine Aufnahme fraglich erscheint.
Der Schauspieler ist Künstler und Instrument in einem. Jede Erfahrung, die er auf der Probe oder während einer Vorstellung macht, gräbt sich in sein Bewusstsein ein und verändert sein Spiel. Jede Wirkung, die er vor Publikum erzielt hat, speichert er als eine mögliche Variation seines Ausdrucksvermögens. Reinhardts Impuls, eine Schauspielschule zu erfinden, um für sein gerade neu gegründetes Deutsches Theater ausreichend qualifizierten Nachwuchs auszubilden, weiß um die große Irritierbarkeit der Schauspieler. Die Verführung durch den schnellen Erfolg als komische, pathetische oder skurrile Figur, das leichte Spiel mit äußerlichen Marotten und nachgeahmten Wirkungen behinderte ihn bei seiner Entwicklung des Theaters. Er teilte mit Stanislawski die Sehnsucht, ein Ensemble von Schauspielern bilden zu können, die miteinander und aufeinander abgestimmt sind.
Was als gutes Schauspiel gilt, wechselt im Laufe der Zeiten nicht nur die Gewänder, sondern mehr noch die Spielweisen. Die Gründung von Schauspielschulen versucht auf die Anforderungen, die vom realistischen und naturalistischen Drama ausgehen, eine schauspielerische Antwort zu finden. Bis heute ist das realistische Schauspiel die teils verborgene, teils offensichtliche Basis der Ausbildung. Die zweite große Erneuerung des Schauspiels durch das epische Theater ist inzwischen ebenso zum festen Bestandteil der Ausbildung geworden. Neuere Strömungen wie sie von der Performance und Postdramatik ausgehen, werden versuchsweise und punktuell integriert. Einen Überblick über die verschiedenen Epochen
und handwerklichen Besonderheiten bietet der Band Lektionen 3 Schauspielen Theorie.
In diesem Band „Schauspielausbildung“ wird die gegenwärtige Ausbildung in fünf Kapiteln erläutert. Hierzu haben Lehrer der verschiedenen staatlichen Schauspielschulen versucht, ihre Unterrichte darzustellen. So wird ein Einblick in die Unterschiedlichkeit der methodischen Ansätze als auch ein Überblick der Lehrinhalte möglich.
Für das Erlernen einer „Techne“, wie im Altgriechischen die Künste genannt wurden, gilt nach wie vor, dass nur die Konzentration auf eine technische Möglichkeit und die ausreichende Übung dieser Technik Erfolg verspricht. Wer das Klavierspielen erlernen will, dem nutzt der Hinweis wenig, dass der Synthesizer schon vieles von allein könne und man darum nicht so viel Zeit auf die Geläufigkeit der Finger verwenden müsse. Auch ist ihm nicht gedient, wenn jeden Tag ein anderes Instrument erlernt werden soll. Durch die aktuelle Vielfalt der Theaterästhetiken befindet sich der einzelne Schauspielstudent jedoch in genau dieser Situation. Es ist gerade als Anfänger sehr schwer, die erlernbaren einzelnen Schauspieltechniken innerhalb dieser Gleichzeitigkeit der Stile und Techniken zu erkennen.
Die Schauspielschulen und ihre Lehrer sind für die Orientierung eine wesent
liche Hilfe. Alles auf einmal ist nicht zu erlernen. Sinnvolle Portionen machen eine gelungene Ausbildung aus. In der Bestimmung dieser Unterrichtseinheiten liegt der große Dissens zwischen der Theaterwissenschaft und den Schauspielschulen, denen vorgeworfen
wird, sie würden durch ihre Übungen die große Komplexität des Theaters zu sehr vereinfachen. Was hierbei von der Theaterwissenschaft ignoriert wird, ist die Tatsache, dass das Erlernen einer Kunst etwas anderes ist als die wissenschaftliche Analyse derselben. Der Künstler muss es können, es reicht nicht, es nur zu wissen. (2)
Die Art und Weise, wie die Lerninhalte nachvollziehbar bestimmt und unterrichtet werden, macht die Qualität der Ausbildung aus. Diese sollte vorbereiten auf die vielfältigen Anforderungen, die dann der Beruf an den Schauspieler stellt. In der täglichen Praxis der Proben und Aufführungen benötigt er seine künstlerische Intuition, um erkennen zu können, was von seinem Handwerk sinnvoll und was in dem Kontext der Inszenierung falsch wäre. Ein Beharren auf den erlernten Fähigkeiten aus der Schule ist ebenso unkünstlerisch wie eine bedingungslose Kapitulation vor dem Regiewillen. Nur die Berufserfahrung kann hier das richtige Maß finden. Voraussetzung dafür ist jedoch in jedem Fall eine gute Ausbildung, die den Schauspieler in die Lage versetzt, professionell agieren und über seine Kunst reflektieren zu können.
Im Anhang sind alle Informationen gesammelt, die erforderlich sind, um sich an den staatlichen Schulen bewerben zu können. Die Zahl der jährlichen Bewerber übersteigt bei weitem die Zahl der Studienplätze. Ein langer Atem ist notwendig und eine gute Vorbereitung. Die Bände Lektionen 3 Schauspielen Theorie und Lektionen 4 Schauspielen Ausbildung wollen zur Orientierung beitragen.
(1) Berthold Held: „Die Erziehung des Schauspielers“, in: Max Reinhardt in Berlin, hrsg. von Knut Boeser und Renata Votková, Berlin 1984, S. 161.
(2) Siehe hierzu auch das Gespräch „Schauspieler sind professionelle Menschen“, in: Jens Roselt und Christel Weiler (Hg.): Schauspielen heute, Bielefeld 2011.
Bernd Stegemann
Berlin im Oktober 2010
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
I. Aufnahmeprüfung | Seite 12 |
„Schauspielerei? – eine brotlose, unordentliche Kunst“Zur Aufnahmeprüfung an staatlichen Schauspielschulenvon Franziska Kötz | |
II. Improvisation | |
Vorübungen und Improvisationenvon Bernd Stegemann | Seite 20 |
„Probierstein des Akteurs“Improvisieren zwischen Probe und Aufführungvon Annemarie Matzke | Seite 35 |
Zwei Arten des SpielensWo der eine spielt, glaubt der andere, dass dieser es nur spieltvon Robert Schuster | Seite 57 |
TheaterspielflowEine ernstspielhafte Haltung findenvon Dietmar Sachser | Seite 70 |
III. Szenenstudium | |
Das Szenenstudiumvon Bernd Stegemann | Seite 80 |
Nimm's mal direkt!Überlegungen zum Szenenstudium an der Universität Mozarteum Salzburgvon Christoph Lepschy, Kai Ohrem und Helmut Zhuber | Seite 96 |
Bis alles klar wirdDas Szenenstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannovervon Titus Georgi | Seite 106 |
Sich selber aushalten, das ist das schwersteKlaus Zehelein und Jochen Schölch (München) im Gespräch mit Bernd Stegemann und Nicole Gronemeyervon Nicole Gronemeyer, Jochen Schölch, Klaus Zehelein und Bernd Stegemann | Seite 123 |
Schauspiel funktioniert über das, was man nicht kannVeit Schubert (Berlin) im Gespräch mit Bernd Stegemannvon Bernd Stegemann und Veit Schubert | Seite 135 |
Schauspielen ist ein handelndes Reagieren auf den PartnerEckhard Winkhaus (München) im Gespräch mit Bernd Stegemannvon Bernd Stegemann und Eckhard Winkhaus | Seite 146 |
IV. Sprechen und Bewegung | |
Gestisches SprechenDie sprecherzieherische Ausbildung von Schauspielstudierenden an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“von Viola Schmidt | Seite 158 |
Formen bilden, Formen vernichtenBemerkungen zu neuen Wegen in der Schauspielausbildungvon Martin Gruber | Seite 169 |
Unbändiger Mensch – bezwingbarer Körper?Akrobatik, Jonglage und Bühnenkampf in der Schauspielausbildungvon Ulfried Kirschhofer | Seite 189 |
V. Theorie | |
Ausweitung der SpielzonenDer Schauspieler möchte jemand Anderes sein (& keine Maschine)von Michael Börgerding | Seite 208 |
Text, Darstellung, InstitutionVom Nutzen und Nachteil der Theorie für die Schauspielausbildungvon Marion Tiedtke | Seite 217 |
Von Innen nach AußenVersteckte Ideologien in der Ausbildung des Schauspielersvon Philipp Hauß | Seite 228 |
Der dilettantische ExzessLaien auf der Bühnevon Jens Roselt | Seite 245 |
Die staatlichen Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum | |
BerlinHochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ | Seite 258 |
BerlinUniversität der Künste | Seite 263 |
BernHochschule der Künste | Seite 266 |
EssenFolkwang Universität der Künste | Seite 271 |
Frankfurt am MainHochschule für Musik und Darstellende Kunst | Seite 274 |
GrazUniversität für Musik und Darstellende Kunst | Seite 277 |
HamburgHochschule für Musik und Theater | Seite 280 |
HannoverHochschule für Musik und Theater | Seite 283 |
LeipzigHochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ | Seite 287 |
LinzAnton Bruckner Privatuniversität | Seite 289 |
LudwigsburgAkademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg | Seite 293 |
MünchenBayerische Theaterakademie August Everding | Seite 296 |
MünchenOtto-Falckenberg-Schule | Seite 300 |
PotsdamHochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ | Seite 303 |
RostockHochschule für Musik und Theater | Seite 305 |
SalzburgUniversität Mozarteum | Seite 308 |
StuttgartStaatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst | Seite 310 |
WienMax Reinhardt Seminar | Seite 314 |
ZürichZürcher Hochschule der Künste | Seite 318 |
„Ein praktisches Buch, das angehenden Studenten Orientierung gibt, gut gemacht.“Frankfurter Rundschau
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Zum Herausgeber

Bernd Stegemann
Weitere Beiträge von Bernd Stegemann
Der Egoismus der Intellektuellen und die Angst der Linken
1. Sozialkritik und postmoderner Kapitalismus
Anmerkungen
Vertrauen und System
Schauspiel funktioniert über das, was man nicht kann
Veit Schubert (Berlin) im Gespräch mit Bernd Stegemann
Bibliographie
Beiträge von Bernd Stegemann finden Sie in folgenden Publikationen:

Heft 02/2018
Wovon lebt der Mensch?
Wolfgang Engler und Klaus Lederer

Heft 10/2017
Götterdämmerung
Polen und der Kampf um die Theater
