
Heft 03/1985
Fragen nach dem Helden
Zu Gestaltungsproblemen der DDR-Dramatik
Broschur mit 80 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
Fragen nach dem Helden 1: Schillers Moritz Spiegelberg und Goethes Torquato Tasso erlebten Anfang der sechziger Jahre eine merkwürdige Wiedergeburt: Peter Hacks hatte sie in seinen Moritz Tassow hereingeholt, die Titelfigur der gleichnamigen Komödie, und damit einen erstaunlichen Helden geschaffen. Revolutionär und Anarchist, Denker und Sinnenmensch, machte dieser Kerl auf das Mögliche aufmerksam, auf die nach der Befreiung vom Faschismus neu eröffneten Horizonte, auf weit in der Zukunft liegende Konsequenzen einer Umstülpung aller Verhältnisse, auf die nun möglich gewordene Schaffung einer »Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist«. Heiner Müllers »Der Bau« entstand nur kurze Zeit später. Spielte aber die Handlung der Komödie von Peter Hacks im September 1945, im Dorf und Gut Gargentin, so ist das Geschehen in dem Stück von Müller etwa um 1960 anzusetzen, die erste Szene trägt den Titel »Baustell«, und der Aufbau eines großen Industriewerks bildet den Hintergrund des Geschehens. Parteisekretär Donat, Brigadier Barka, Ingenieurin Schlee und andere bilden ein Figurenensemble, in denen das schmerzvolle Gebären von Individualitäten aus einem gewaltigen gesellschaftlichen Prozeß zum Ereignis wird. Helden kommen auf die Bühne, die, vom Sturm der Ereignisse gepackt, endlich in vielfältiger und höchst unterschiedlicher Weise zu Steuerleuten dieses Sturms werden - oder ihm unterliegen.
In einer Studie des Forschungsbereichs »Theorie des sozialistischen Realismus« der Akademie für Gesellschaftswissen schaften beim ZK der SED, die sich mit der Dramatik der DDR im Zeitraum von 1975 bis 1982 befaßt, wird folgende Feststellung getroffen: Die Dramatiker ... , die Kunstfiguren schaffen, befinden sich deutlich in der Schwierigkeit, das gegenwärtig historisch erreichbare Maß an menschlicher Emanzipation, die gegenwärtige historische Qualität des >menschlichen Reichtums< in großen dramatischen Figuren nachvollziehbar zu machen. Im Untersuchungszeitraum gelang es keinem Autoren, große Bühnenfiguren mit Vorbildcharakter zu schaffen, bei denen das Vorbildhafte aus dem Neuen, aus der Verkörperung des Zukunftsweisenden resultiert.«
Warum also bleiben Moritz Tassow, Barka, Donat und Schlee ohne Nachfolger? Warum wandten sich Hacks und Müller vom Versuch, Vorgänge in der sich entwickelnden sozialistischen Gesellschaft der DDR zu gestalten, grundsätzlich und aufgrund theoretisch-ästhetischer Überlegungen ab? Aber auch diese Fragen, sie sind schwerwiegend genug, erreichen nur den Rand eines größeren Problems. Eine Gesellschaft mit staunenswerten Leistungen spiegelt sich unvermittelt in diesen stau nenswerten Leistungen auf dem Theater nicht wieder. Menschen, die diese Gesellschaft bewegen, die Schaltstellen für weittragende Entscheidungen eingenommen haben, betreten die Bühne als Kunstfiguren nicht. Einschneidende Veränderungen im Alltag, charakterisiert etwa durch die Ablösung von Erdöl als Brennstoff, durch Intensivierung und Rationalisierung in der gesamten Volkswirtschaft, durch die sprunghaft wachsende Rolle von Wissenschaft und Technik, durch die Entwicklung der Mikroelektronik, sind in dramatischen Geschichten nicht gefaßt.
Im Deutschen Theater Berlin sind in der Vergangenheit mehrere entscheidende Versuche unternommen worden, in der Zusammenarbeit mit Kombinaten und Großbetrieben zu dramatischen Texten zu kommen, zu Spielvorlagen für das Theater. Unter der Intendanz Wolfgang Heinz gab es Mitte der sechzig er Jahre eine Zusammenarbeit mit dem Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld, dem Petrolchemischen Kombinat Schwedt und dem Kombinat Carl Zeiss JENA, die zur »Problemerfassung« und zur »Autorenansiedlung« führen sollte. Am Theater arbeitete eine Strategiegruppe mit Hans-Rainer John, Horst Redeker, Klaus Pfützner, die aber nicht lange genug wirksam sein konnte, um dauerhafte Ergebnisse zu erreichen.
Unter der Intendanz Gerhard Wolfram wurde etwa ein Jahrzehnt später der Versuch mit dem Kombinat Carl Zeiss JENA wiederholt, an ihm waren nun Helmut Baierl als Autor, Klaus Wischnewski als Dramaturg und Horst Schönemann als Regisseur beteiligt. Zu einem Ergebnis kam es diesmal nicht; die Gründe dafür sind vielfältig und können an dieser Stelle nicht untersucht werden. Dennoch scheint es mir zu früh, diese Versuche beruhigt in das Fach Theatergeschichte abzulegen.
Wie auch immer - es bleibt die Frage, ob sich wesentliche Vorgänge der Leitung gesellschaftliche Prozesse, der Ökonomie als beherrschender Lebensgrundlage, der Entscheidungsfindung für Gegenwart und Zukunft der im Sozialismus lebenden Bürger unserer Republik der dramatischen Gestaltung entziehen oder ihr doch wesentliche Widerstände entgegensetzen. Ist also die direkte Aufnahme großen alltäglichen Geschehens in die Dramatik überhaupt möglich? Müssen wir uns wirklich von der Vorstellung eines Helden lösen, der, an entscheidender Stelle wirksam, die Entwicklung im Arbeitsprozeß vorantreiben, zur Bezugsfigur für viele, zum Vorbild wird, der für den Zuschauer auf emotional erregende Weise revolutionäre Vorgänge im Alltag nacherlebbar, nachvollziehbar macht? [...]
Aus dem Beitrag von Christoph Funke (Abschnitt 1)
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Umschau | |
Deutsche Staatsoper BerlinDie Fledermaus von Johann Strauß. Regie: Horst Bonnet, musikalische Leitung: Hartmut Haenchen, Ausstattung: Werner Schulzvon Wolfgang Lange | Seite 1 |
Städtische Theater Karl-Marx-Stadt - OpernhausBoris Godunow von Modest Mussorgski. Regie: Carl Riha, musikalische Leitung: Alexander von Brück, Ausstattung: Wolfgang Bellachvon Wolfgang Lange | Seite 1 |
Bühnen der Stadt GeraEugen Onegin von Peter Tschaikowski. Regie: Lothar Arnold, musikalische Leitung: Wolfgang Wappler / Michael Stolle, Ausstattung: Lothar Göpfert / Ilse-Maria Feltz a. G.von Robert Schuppert | Seite 2 |
Brandenburger TheaterRusalka von Antonin Dvořák. Regie: Renate Breitung, musikalische Leitung: Andreas Wilhelm, Ausstattung: Carl Hoffmannvon Klaus Büstrin | Seite 2 |
Theater StralsundPinocchio von Lavagna / Vitalini. Regie: Reinhardt Ottmar Schuchart, Ausstattung: Eberhard Lutze / Barbara Sauer-Funkevon Ulf Brandstädter | Seite 3 |
Städtische Theater Karl-Marx-Stadt - SchauspielhausDer Biberpelz von Gerhart Hauptmann. Regie: Gerhard Meyer, Ausstattung: Ralf Winkler / Helga Leuevon Ingeborg Pietzsch | Seite 3 |
Theater der Stadt CottbusDer Zwischenfall von Pantscho Pantschew. Regie: Nevena Mitewa a. G., Ausstattung: Todor Tschobanow a. G.von Ulf Brandstädter | Seite 4 |
Deutsch-Sorbisches Volkstheater BautzenDie Landvermesser von Jurij Koch. Regie: Jörg Liljeberg, Ausstattung: Stefan Wielvon Volker Trauth | Seite 4 |
Deutsches Nationaltheater WeimarAschenbrödel von Sergej Prokofjew. Choreographie/Inszenierung: Winfried Schmidt, musikalische Leitung: Gunter Kahlert, Ausstattung: Bernhard Schwarz / Iris Damervon Volkmar Draeger | Seite 5 |
Mecklenburgisches Staatstheater SchwerinAbraxas von Werner Egk. Choreographie/Inszenierung: Udo Wandtke, musikalische Leitung : Manfred Hänsel, Ausstattung: Giselher Pilzvon Dietmar Fritzsche | Seite 5 |
DDR-Dramatik | Seite 6 |
Fragen nach dem HeldenDiskussionsbeitrag zu einigen Gestaltungsproblemen unserer Dramatikvon Christoph Funke | |
Kolumne | Seite 6 |
Anstößevon Bernd Köllinger | |
Oper | Seite 10 |
Marginalien zur Händel-Opervon Karl-Heinz Viertel | |
Kindermusiktheater | Seite 14 |
Von Äffchen, Hampelmännern und anderen GestaltenÜberlegungen zur Kinderoper anhand von Aufführungen in Cottbus, Annaberg und Senftenbergvon Verena Graubner | |
ČSSR | Seite 17 |
Novitäten aus der ČSSRMusikdramatik von Jan F. Fischer, Jindřich Brabec und lvo Jirásek in Magdeburg und Pragvon Ulrich Burkhardt und Klaus Thiel | |
Ballett | Seite 19 |
Die neuen Leiden des alten Don Q.Dreiteiliger Ballettabend »Don Quixote« in Leipzigvon Volkmar Draeger | |
Tanz | Seite 20 |
Angeregt von zeitgenössischer MusikKammertanzabend der Deutschen Staatsoper im Schauspielhaus mit Choreographien von Emöke Pöstényi, Hermann Rudolph, Susanne Borchers, Stefan Luxvon Dietmar Fritzsche | |
Garderobengespräch | Seite 25 |
Ellen WeberAufgeschrieben von Volker Weiskevon Volker Weiske und Ellen Weber | |
Musical | Seite 26 |
Phantasmagorie vom Jahr 4008Musical-Uraufführung »Planet der Verliebten« von Kahlow / Natschinski am Berliner Metropol-Theatervon Dietmar Fritzsche | |
Erstaufführung | Seite 27 |
Carmen auf sizilianischDDR-Erstaufführung »Opera mafioso« von Oravec / Štrasser / Novák an der Staatsoperette Dresdenvon Wolfgang Lange | |
Kinder- und Jugendtheater | Seite 28 |
Erfolgsrezept mit neuen Zutaten»Es war einmal ein König Drosselbart« von Schneider / Möller am Volkstheater Rostock (Sport- und Kongreßhalle)von Elke Schneider | |
Umfrage | Seite 29 |
Umfrage bei TheaterleiternAntworten aus Halle (Ulf Keyn), Halberstadt (Hans-Hermann Krug), Greifswald (Ursula Schoene-Makus) und Neubrandenburg (Gisela Templin)von Gisela Templin, Hans-Hermann Krug, Ulf Keyn und Ursula Schoene-Makus | |
Schauspieler über klassische Rollen | Seite 32 |
(V und Schluß)Aufgezeichnet und mit einer Nachbemerkung von Ingeborg Pietzschvon Ingeborg Pietzsch, Reiner Heise, Gertraud Kreißig, Carl Martin Spengler und Anny Stöger | |
Inszenierung | |
Ohne Pathos»Die Konversationshefte Beethovens« von Glauco Mauri in Rostockvon Manfred Zelt | Seite 36 |
Sich Lorca nähernd ...»Yerma« in Schwerinvon Martin Linzer | Seite 37 |
Theaterreport | Seite 38 |
Renaissance des RealenTheater in Rudolstadt nach seiner Rekonstruktionvon Jochen Gleiß | |
Griechenland | Seite 42 |
Thespis' ErbenEindrücke von einer Reise nach Griechenlandvon Peter Ullrich | |
Syrien | Seite 44 |
Damaskus 84Eindrücke von einer Reise durch Syrienvon Rüdiger Volkmer | |
USA | Seite 46 |
Ostküste/WestküsteReisenotizen über das US-Theatervon Wolfgang Schuch | |
Sowjetunion | Seite 49 |
Opulent für junge ZuschauerMittel und Möglichkeiten der TJUS beim multinationalen Festival in Moskauvon Wolfgang Wöhlert | |
Stückabdruck | Seite 52 |
TeufelskarlMärchenvon Elifius Paffrath | |
Zum Stückabdruck | Seite 52 |
Fragen an den Autor (von Ingeborg Pietzsch)von Ingeborg Pietzsch und Elifius Paffrath | |
TdZ-Informativ | |
Brecht-Tage 1985von Jochen Gleiß | Seite 65 |
4. Werkstatt der Berufskabarettsvon Barbara Fuchs | Seite 65 |
Wiedereröffnung mit »Partenope«(Der Bericht wurde dem »Neues Deutschland« entnommen)von Ute Brockhaus | Seite 66 |
X. Musik-Biennale Berlinvon Dietmar Fritzsche | Seite 66 |
Sowjetische Dramatik am Rostocker Volkstheatervon Nachrichtenagentur der DDR ADN | Seite 66 |
Personelles | Seite 67 |
Unterwegs | Seite 67 |
Trainingsmeisterseminarvon Margit Nicolaus | |
Ausland | |
Faust en Scenevon Franz Havemann | Seite 68 |
Bulgarische Dramatikvon Martin Linzer | Seite 68 |
»Russischer Winter«von Nachrichtenagentur der DDR ADN | Seite 69 |
»Nachtasyl« und andere Premieren(Aus: »Literaturnaja gazeta«, gekürzt)von Anatoli Efros | Seite 69 |
Mutimedia-Seminarvon Kurt Dietmar Richter | Seite 70 |
Etatkürzungen | Seite 70 |
Händel-Aufführungen in London(Artikel aus der »Nationalzeitung«)von Karl-Heinz Gräfe | Seite 71 |
Ballett in Ägyptenvon B. C. | Seite 71 |
Bücher | Seite 72 |
Kurt Palm: Vom Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich. Mit einem Vorwort von Werner MittenzweiHenschelverlag Berlin 1984, 306 S., DDR 12,50 Mvon Jochen Gleiß | |
Brecht und die Musik. Schriftenreihe »Material zum Theater« Heft, Nr. 180Hgg. vom Verband der Theaterschaffenden der DDR, 94 S., 3,50 Mvon Wolfgang Lange | |
Fischborn / Kröplin / Jaksch / Jehser u. a.: Geschichte - Revolution - Dramaturgie. »Material zum Theater« Nr. 184Hgg. v. Verband d. Theaterschaffendender DDR, 88 S., 3,50 Mvon Jochen Gleiß | |
Hektar Kipphardt: Bruder EichmannHenschelverlag, Berlin 1984, 181 S., 20 Fotos, 4,- Mvon Hans-Rainer John | |
Briefe | Seite 72 |
Liebe Freya Kliervon Günter Jeschonnek | |
Spielpläne | Seite 73 |
Vom 16. März bis 15. April 1985 | |
Premierenkalender | Seite 75 |
Vom 16. März bis 15. April 1985 | |
Besetzungen | Seite 75 |
Ur- und Erstaufführungen / Schauspiel / Musiktheater | |
Impressum | Seite 79 |
Autoren | Seite 79 |
Inhalt | Seite 80 |
Ulf Brandstädter
Ute Brockhaus
Ulrich Burkhardt
Klaus Büstrin
B. C.
Volkmar Draeger
Anatoli Efros
Dietmar Fritzsche
Barbara Fuchs
Christoph Funke
Jochen Gleiß
Karl-Heinz Gräfe
Verena Graubner
Franz Havemann
Reiner Heise
Günter Jeschonnek
Hans-Rainer John
Ulf Keyn
Bernd Köllinger
Gertraud Kreißig
Hans-Hermann Krug
Wolfgang Lange
Martin Linzer
Nachrichtenagentur der DDR ADN
Margit Nicolaus
Elifius Paffrath
Ingeborg Pietzsch
Kurt Dietmar Richter
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