S.O.S. Ein Wort in eigener Sache: Wir müssen es eingestehen: die Lage ist kritisch geworden. Die massive Preiserhöhung vom Januar 1991 konnte den Ausfall der einstigen Staatssubvention nicht auffangen, denn natürlich war die frühere hohe Auflage unter den neuen Bedingungen nicht zu halten. Einst treue Theaterbesucher, die vor der Wende im Theater einen Ort des geheimen Einverständnisses gefunden hatten, haben mit der Aufgabe oder Einschränkung des Theaterbesuchs (aus Enttäuschung oder schlichtem Geldmangel) vielfach auch auf den kritischen Begleiter in Form unserer Zeitschrift verzichten müssen. Auch Theaterleute, ob Schauspieler, Sänger, Tänzer, sind - sofern sie Leser geblieben sind - auch eher unter die Ausleiher als unter die Käufer gegangen, und die moderne Technik macht's möglich, daß auf die Kopie (der lobenden Kritik) fürs private Archiv nicht verzichtet werden muß. Eine sehr verständliche Haltung, trotz fühlbarer Gagenerhöhungen im Lande.
Also: die Herstellung der Zeitschrift kostet - trotz personeller Schrumpfung, trotz kostensparender Satztechnik - mehr, als der ebenfalls kostenaufwendige, schwerfällige, unzuverlässige Vertrieb einspielt. In selten gewordener, standfester Treue steht der Verlag zu seinem ältesten (liebsten?) Kind, aber selber angeschlagen durch die sattsam bekannten Folgen des eiligen Anschlusses, ist das Versiegen seiner Ressourcen absehbar. Wir haben diese Entwicklung in der Form, in dem Tempo nicht vorausgesehen , glaubten an ein rascheres Durchschreiten der »Talsohle«. Aber nicht nur Politiker irren. Nun gebietet es journalistische Redlichkeit, das Notsignal zu setzen, S.O.S. zu funken, bevor das Schiff gesunken ist, bevor die »älteste Stimme der Kritik« (Ernst Schumacher in der BZ vom 3. Januar) verklingt. Wir stehen nicht an der Klagemauer, denn es gibt keinen Angeklagten. Kein importierter Medienbeauftragter wickelt uns ab, kein skrupelloser Großverlag manövriert uns ins Aus, kein Ausschuß ermittelt gegen uns, noch keiner hat Stasi-Akten aufgespürt. Wir sind nur, schlicht und einfach, ein Opfer der allzu freien Marktwirtschaft und der skandalösen Chancenungleichheit im Vertriebsbereich, und wir können lediglich moralisch, nichtjuristisch einmahnen, daß wir »wie die Theater der neuen Länder selbst zur Substanz der Kultur (gehören), die es laut Einigungsvertrag zu erhalten gilt« (Schumacher). Aber gewiß läge es in der Logik der Entwicklung, wenn eine »Altlast« wie »Theater der Zeit«, seit 1946 »im Sold der Partei«, ebenso von der Bildfläche verschwindet wie Sender von Bildschirmen oder aus dem Äther, kritische Magazine aus den Kiosken, unbequeme Zeitgenossen aus ihren Amtsstuben. Ein Organ mit dem StalIgeruch der DDR, das sich anheischig macht, die Interessen seiner alten Klientel, der Theater aus der Ostzone zu vertreten, deren Probleme zur Sprache zu bringen, auch die Kontakte zu den alten und wirklichen Freunden in Osteuropa nicht abreißen zu lassen, ein solches Organ liegt vielleicht wirklich nicht mehr »im Trend«; manche sähen seinen stillen Tod vielleicht nicht ungern, »weinten ihm keine Träne nach«, von anderen wissen wir es anders. Und für die würden wir gern weitermachen!
Als wir im vergangenen Sommer durch spontane Hilfe eines westdeutschen Kunstamts (der Universitätsstadt Erlangen) eine kleine Ausstellung zum Auf und Ab unserer 45jährigen Geschichte gestalten konnten - inzwischen in Berlin/Deutsches Theater,Chemnitz, Dresden, Weimar gezeigt-, stellten wir ihr das Motto voran: ein Theater der Zeit braucht auch ein »Theater der Zeit« (das ging auf Fritz Erpenbecks Einstand von 1946: unsere Gesellschaft brauche ein Theater der Zeit statt eines modischen Zeittheaters). Das untersch'rieben prominente Theaterleute aus Ost und West in schöner Sol idarität, Dramatiker und Komponisten, Intendanten und Regisseure, Bühnenverleger und Schauspieler. Was wir heute bräuchten, um noch eine Chance zu haben - ich sag's mal ganz prosaisch - sind nicht Unterschriften, sondern Abonnements (ohne daß der moralische Druck aufhören darf). Schön wär's, jeder Leser würde auch ein Käufer, und jeder Käufer/Abonnent überzeugte einen Freund/Bekannten/Kollegen, nun ebenfalls zu einem Käufer/Abonnenten zu werden. In einer Situation, wo sich 's »rechnen« muß, werden Zahlen, zumal Auflagenstatistiken, zu handfesten Argumenten, zu wirksameren als Verweise auf Traditionen, auf gefälligen Beifall und auf die eigene Großartigkeit.
Wenn Sie verstehen, was ich meine, und wenn Sie auch meinen, was Sie verstanden haben, dann handeln Sie rasch und helfen uns damit. Vielleicht muß »Theater der Zeit« (noch) nicht den DDR-Bach runter... M.L.
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Artikel | Seite |
Entrée | Seite 1 |
SOS! Ein Wort in eigener Sachevon Martin Linzer | |
Autoren | Seite 1 |
Impressum | Seite 3 |
Gespräch | Seite 4 |
Das Drama JugoslawienGespräch mit der Regisseurin Mirjana Ercegvon Ingeborg Pietzsch und Mirjana Erceg | |
Essay | Seite 7 |
Ruhe auf der BühneHamburger Theaterimpressionenvon Hartmut Krug | |
Gespräch | Seite 13 |
Die Lust des VorurteilsGespräch mit Thalia-Intendant Jürgen Flimmvon Hartmut Krug | |
Schauspiel | |
Unterwegs zu sich selbst»Das Käthchen von Heilbronn« am Deutschen Theater Berlin | Seite 16 |
Behutsam, aber bildkräftigStaatsschauspiel Dresden: »Villa Jugend« von Georg Seidelvon Martin Linzer | Seite 18 |
Zweimal Molière»Der eingebildete Kranke« am Schiller Theater Berlin und »Der Menschenfeind« an der Volksbühne Berlinvon Ingeborg Pietzsch | Seite 19 |
Revolutions CocktailBauhaus Dessau/ THEATER DER KLÄNGE »November 1918/1989Revolution in Deutschland«von Jan Kerber | Seite 20 |
Am Rande der WüsteSchauspiel Bonn: »Das Erbe« von Koltèsvon Volker Trauth | Seite 21 |
Wenn die Worte versagenTheater »Pralipe«: »Othello« von Shakespearevon Volker Trauth | Seite 21 |
Zeitgemäßes Jugendtheaterneues theater Halle: »Gimme Shelter« (Helden ohne Hoffnung) von Barrie Keeffevon Alexander Irmer | Seite 23 |
Ein ganz fescher WahnsinnMünchner Kammerspiele: »Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos« von Werner Schwabvon Wolfgang Seibel | Seite 23 |
Die Mahnung der GeschichteLandestheater Tübingen: »Rubinstein« von Hans Sahlvon Wolfgang Veit | Seite 24 |
Zu dekorativ, um wahr zu seinEssener Grillo-Theater: »King Kongo« von Gaston Salvatorevon Heinz-Norbert Jocks | Seite 25 |
Das Spiel ist ausDortmunder Weißkaue in der Zeche Minister Stein: »A und B« von Joshua Sobolvon Heinz-Norbert Jocks | Seite 26 |
Von der Vergeblichkeit der LiebeKölner Schlosserei: »Die Klavierspiele« von Friederike Rothvon Heinz-Norbert Jocks | Seite 27 |
Abgegessen?Berlin/Maxim Gorki Theater: »Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei« von Heiner Müllervon Martin Linzer | Seite 27 |
Abgründiges TraumspieI?Dresden / Staatsschauspiel: »Die Jüdin von Toledo« von Franz Grillparzevon Jochen Gleiß | Seite 28 |
Kommentar | Seite 31 |
Die Autoren haben das WortEindrücke vom III. Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater (vom 6. bis 8.12.91)von Ingeborg Knauth | |
Von der Figur zum Objekt | |
Neue Trends bei dem achten Intermarionett in Saarbrückenvon Silvia Buss | Seite 33 |
Kasper und die KasperforscherDie »Kasperliade '91« in Münchenvon Gerd Taube | Seite 34 |
Spiel mit dem MaterialWilhelma Theater Stuttgart: »Paradiesische Zustände« , »Der Schirm, der Mantel. Sie, der Streit« Zwei Figurentheater-Einaktervon Gisela Ullrich | Seite 36 |
Schauspiel | Seite 38 |
Zwei Näherungsversuche von West nach Ost»Ich setz' mich nicht mit Polacken« / »Weltuntergang Berlin II«von Martin Morgner | |
Oper | |
Aufwind?Marginalien zur Oper in Frankfurt/Mainvon Nora Eckert | Seite 40 |
Oper als sinnliche AufklärungÜber Dieter Dorns Operninszenierungenvon Nora Eckert | Seite 44 |
Ich bin, was ich binMarginalien zu »Le Cage aux Folles« / Dresden, »Jesus Christ Superstar« / Erfurt, »Feuerwerk« /Metropol-Theater Berlin, »Die Fledermaus« / Brandenburgvon Wolfgang Lange | Seite 48 |
Vom Broadway in die Provinz»On the town« an der Hamburgischen Staatsopervon Rolf Fath | Seite 50 |
Porträt | Seite 55 |
Theater als Ort der SelbsterfahrungDie junge Sängerin Hendrikje Wangemannvon Frank Kämpfer | |
Oper | |
Suche nach Pretty PollyEnsemble Aquarius/HebbelTheater Berlin: »Punch and Judy« von Harrison Birtwistlevon Frank Kämpfer | Seite 58 |
Genossin ViolanteLandestheater Eisenach: »Die Gärtnerin aus Liebe« von W. A. Mozartvon Wolfgang Lange | Seite 58 |
Neue SichtOper Leipzig: »La Boheme« von Puccinivon Frank Kämpfer | Seite 59 |
Der puritanische FriedrichTheater der Landeshauptstadtl Kuppeltheater/Magdeburg: »Das Liebesverbot« von Wagnervon Irene Tüngler | Seite 60 |
Vergrabene GefühleBayerische Staatsoper München: »Peter Grimes« von Brittenvon Rolf Fath | Seite 61 |
Psychologische FeinzeichnnngOper Montpellier: »Der fliegende Holländer« von Wagnervon Lorenz Tomerius | Seite 62 |
Rote Nelken auf LehmbodenHet Muziektheater Amsterdam: »Fidelio« von Beethovenvon Irene Tüngler | Seite 63 |
Tanz | |
Berliner TanzHerbst '91von Volkmar Draeger | Seite 64 |
TanztheaterUraufführungen in Cottbus (Jo Fabian) und in Osnabrück (Anthony Sterago)von Dietmar Fritzsche | Seite 68 |
Erträumtes IdealHamburgische Staatsoper / Das Hamburger Ballett: »Dornröschen« von Tschaikowski / Petipa / Neumeiervon Dietmar Fritzsche | Seite 71 |
UnversöhnlichNiedersächsisches Staatstheater Hannover: »Romeo und Julia« von Sergej Prokofjew / Tom Schillingvon Dietmar Fritzsche | Seite 71 |
Triangel aus Ballett-Musik-Maschinen»Pas de Triangeln« von Stiefel / Stache / Schneidervon Ann-Elisabeth Wolff | Seite 72 |
Bitterer ZeitkommentarTanzbühne der Sächsischen Staatsoper Dresden: »Zwei Feste« von Johannes Bönigvon Volkmar Draeger | Seite 72 |
Stück | Seite 74 |
Fafner, die Bisam-MausLustspiel in drei Aktenvon Peter Hacks | |
Magazin | |
Wie geht's weiter?von Michail Schwydkoj | Seite 84 |
Politisches Theater heuteTagung der Bundeszentrale für politische Bildung in Kölnvon Martin Morgner | Seite 85 |
Musiktheater-Managementvon Irene Tüngler | Seite 85 |
Bücher | |
Giacomo MeyerbeerEine Biographie nach Dokumenten von Reiner Zimmermann. Henschel Verlag Berlin 1991, 464 Seiten, 78.- DMvon Mattis Dänhardt | Seite 86 |
»Theater-Werkstatt in Halle«Die Werkstatt-Tage des Kinder- und Jugendtheaters von 1977-1990, hg. im Auftrag der ASSITEJ (ostdeutsche Sektion) von Octavia Winkler / Mitarbeit Andreas Muraitis, 236 S.von Ingeborg Pietzsch | Seite 87 |
Theaterlexikon - Kompaktwissen für Schüler und junge ErwachseneCornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co., Frankfurt am Main 1991, 384 S, zweifarbig, 129 Abb, DM 29,80 ISBN 3-589-20893-7von Jochen Gleiß | Seite 88 |
Vorschau | Seite 88 |
März 1992 | |
Premieren | Seite 88 |
Februar 1992 | |
Spielpläne | Seite 89 |
Februar 1992 | |
Besetzungen | Seite 93 |
Anzeigen | Seite 95 |
Silvia Buss
Mattis Dänhardt
Volkmar Draeger
Nora Eckert
Mirjana Erceg
Rolf Fath
Dietmar Fritzsche
Jochen Gleiß
Peter Hacks
Alexander Irmer
Heinz-Norbert Jocks
Frank Kämpfer
Jan Kerber
Ingeborg Knauth
Hartmut Krug
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Martin Linzer
Martin Morgner
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