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Sedimente aus dem Sound der Stadt
Das BAM! – Berliner Festival für aktuelles Musiktheater zeigt zum ersten Mal einen Überblick über die florierende freie Szene jenseits der großen Opernhäuser
Am Koppenplatz fährt der Bus nach Nirgendwo. Die Räder sind aufgebockt, die Scheiben mit Brettern verdeckt. Auch im Inneren erwartet die Fahrgäste ein Ambiente, das, mit Glitzerfolien und Diskokugeln, wenig zu tun hat mit gewöhnlichem Linienverkehr. Was hier beginnt, ist ein Stillstands-Trip zu klassisch durchsetzten Elektro-Sounds. Alba Gentili-Tedeschi an den Keyboards und die Flötistin Shin-Joo Morgantini (im Katzenlook) schaffen eine großstadtkühle musikalische Spur. Die Sopranistin Gina May Walter moderiert mit kristallenen Koloraturen den ersten Halt dieser Stationenreise an: Wut. Folgen werden Leugnen, Depression, Akzeptanz. Um Liebeskummer- und Trauerbewältigung geht es. Ein durchaus dringliches Thema in Berlin.

„Lonely Hearts Bus Tour“ heißt diese Arbeit der Berliner Gruppe Opera Lab. Das Libretto stammt von Evan Gardner, die Inszenierung besorgt Michael Höppner, die musikalische Leitung hat Antoine Daurat. Die Tour ist Teil des BAM!, kurz und knallig für Berliner Festival für aktuelles Musiktheater. Das findet zum ersten Mal statt und will, ähnlich wie das Performing Arts Festival im Bereich Theater und Tanz, einen Überblick über die florierende freie Szene der Stadt geben. Veranstaltet wird es vom Verein Zeitgenössisches Musiktheater Berlin, seit drei Jahren eine Art Dachverband der Szene.
An vier Tagen und dreizehn Veranstaltungsorten in Mitte sind über dreißig verschiedene Produktionen zu erleben, vierzehn davon Uraufführungen. Die Spanne reicht bei den Locations vom Kunst- und Kulturzentrum Acud über die Sophiensaele oder den Club der polnischen Versager zu verschiedenen Orten im öffentlichen Raum. Beteiligt sind etablierte sowie weniger bekannte Gruppen und Künstler wie das Solistenensemble Kaleidoskop, Maulwerker, gamut inc oder Katharina Haverich und Christopher Hotti Böhm. Letztere beschäftigen sich in „He Wolf / She Man“ im Keller des Acker Stadt Palasts mit (Geschlechter-)Metamorphosen und verdrängten Trieben, wohingegen Johannes Müller und Philine Rinnert im Werkhaus Heckmann-Höfe Puccinis „Madama Butterfly“ unter Gesichtspunkten der Critical Whiteness zerlegen.