
Herr Moğul, viele Ihrer Stücke thematisieren die Entwicklungen an unseren Krankenhäusern. Sie sind aber nicht nur Dramatiker und Regisseur, sondern selbst auch Arzt: Wie sehen Sie den Klinikalltag?
Als ich von Niels Högel las, war meine erste Reaktion: Das hätte überall in Deutschland passieren können.
Der Krankenpfleger hatte Patienten lebensbedrohliche Medikamente gespritzt und wurde in 85 Fällen des Mordes schuldig gesprochen.
Das System ist so überfordernd, das medizinische Personal so unter Druck, dass man gar nicht mehr die Möglichkeit oder die Lust hat zu fragen, wie es dem Kollegen geht oder wie er seinen Job macht. Durch die Agenda 2010 und die Privatisierung der Kliniken haben Konzerne die Krankenhäuser zu Dienstleistungsunternehmen gemacht: Wir müssen gewisse Leistungen erbringen, damit das Haus ein Plus erwirtschaftet. Dafür werden viele OPs durchgeführt, die womöglich gar nicht indiziert sind.
Was hat Corona mit Ihnen als Regisseur gemacht?
Mein Stück „Deutsche Ärzte grenzenlos“ sollte im März in Münster uraufgeführt werden. Zwei Stunden davor waren wir im Lockdown, weil 25 Leute im Theater positiv getestet wurden, das war heftig.
Die Münsteraner Uraufführung wurde ins nächste Jahr verschoben. Unterdessen kam ein neues Stück von Ihnen im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses heraus: „Wir haben getan, was wir konnten“.
Derzeit dürfen dreißig Zuschauer in diesen Saal, in der Premiere saßen gefühlt zwanzig Kritiker und zehn reguläre Besucher. Das fühlt sich eher wie ein mündliches Staatsexamen an – ich muss ehrlich sagen, da hätte ich nicht Schauspieler sein wollen. Es ist wichtig, weiterzumachen – aber so viel schwerer, den Zauber herzustellen!
Im Stück kommt Musik von Henry Purcell vor, die Kostüme enthalten Barockelemente. Ich musste an die Herrscher dieser Zeit denken – völlig der Realität enthoben und von Macht besessen.