Look Out
Systemsprenger Hamlet
Die Regisseurin Anna-Elisabeth Frick möchte sich nie allzu sicher sein
von Bodo Blitz

Optimismus strahlt die Regisseurin aus, Offenheit und Freude. Wer länger mit ihr spricht, kann sich leicht vorstellen, wie gern Schauspielerinnen und Schauspieler mit ihr arbeiten. Denn Anna-Elisabeth Frick räumt ihrem Ensemble jede Menge Freiheiten ein. Das funktioniert auch deshalb, weil Texte für sie nicht absolut gelten. „Den Text?“, fragt Anna Frick schelmisch, um nach einer kurzen Denkpause selbst zu antworten: „Ja, den gibt es auch.
Frick feiert das Fragmentarische. Von „Gerüst“ ist bei ihr häufig die Rede, von „Assoziationen“ und „Atmosphäre“. All das unterstreicht ihre Denkbewegung des Hinterfragens und Suchens. Jede der zwölf Vigilien aus E. T. A. Hoffmanns Novelle „Der goldne Topf“ bricht sie in ihrer Freiburger Inszenierung aus der Spielzeit 2017/18 auf je einen zentralen Grundgedanken herunter. Das eröffnet dem Ensemble Raum zur Improvisation. Hoffmanns Protagonist stürzt selbstredend nicht mitten hinein in einen Marktstand, wie in der Eingangsnarration des Kunstmärchens vorgesehen. Anselmus’ Tollpatschigkeit transportiert sich in Fricks Regie so schlicht wie spielerisch über einen verspäteten Theaterauftritt, von den Schauspielkollegen lustvoll ausgestellt und entsprechend negativ kommentiert. Das schärft den Blick auf die Rolle des Außenseiters.
Fricks Inszenierungen bestechen durch Abstraktion. Sie spüren Grundlegendes auf und eröffnen gerade dadurch Spiel-Räume. Von ihren Schauspielerinnen und Schauspielern verlangt die Regisseurin, den Theaterraum immer mitzudenken. In diesem Punkt bekennt sie sich zum performativen Theater. Ihre aktuelle „Felix-Krull“-Inszenierung am Nationaltheater Mannheim eröffnet nicht zufällig den Assoziationsraum einer Hinterbühne. Disparates dominiert. Die Dekonstruktion von Einheitlichkeit weitet den Blick. Matthias Breitenbach, Annemarie Brüntjen und Eddie Irle irrlichtern als Dreifachbesetzung des Felix Krull durch den Raum, verschieben Requisiten und spielen sich warm. Es wirkt so, als statteten sie ihre Inszenierung selbst aus. Willkommen auf der Bühne des Lebens!