
Look Out
Die Regisseurin Anna-Elisabeth Frick möchte sich nie allzu sicher sein
von Bodo Blitz
Optimismus strahlt die Regisseurin aus, Offenheit und Freude. Wer länger mit ihr spricht, kann sich leicht vorstellen, wie gern Schauspielerinnen und Schauspieler mit ihr arbeiten. Denn Anna-Elisabeth Frick räumt ihrem Ensemble jede Menge Freiheiten ein. Das funktioniert auch deshalb, weil Texte für sie nicht absolut gelten. „Den Text?“, fragt Anna Frick schelmisch, um nach einer kurzen Denkpause selbst zu antworten: „Ja, den gibt es auch.
Frick feiert das Fragmentarische. Von „Gerüst“ ist bei ihr häufig die Rede, von „Assoziationen“ und „Atmosphäre“. All das unterstreicht ihre Denkbewegung des Hinterfragens und Suchens. Jede der zwölf Vigilien aus E. T. A. Hoffmanns Novelle „Der goldne Topf“ bricht sie in ihrer Freiburger Inszenierung aus der Spielzeit 2017/18 auf je einen zentralen Grundgedanken herunter. Das eröffnet dem Ensemble Raum zur Improvisation. Hoffmanns Protagonist stürzt selbstredend nicht mitten hinein in einen Marktstand, wie in der Eingangsnarration des Kunstmärchens vorgesehen. Anselmus’ Tollpatschigkeit transportiert sich in Fricks Regie so schlicht wie spielerisch über einen verspäteten Theaterauftritt, von den Schauspielkollegen lustvoll ausgestellt und entsprechend negativ kommentiert. Das schärft den Blick auf die Rolle des Außenseiters.
Fricks Inszenierungen bestechen durch Abstraktion. Sie spüren Grundlegendes auf und eröffnen gerade dadurch Spiel-Räume. Von ihren Schauspielerinnen und Schauspielern verlangt die Regisseurin, den Theaterraum immer…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020

Kolumne
Kurzer Lebenslauf mit Polizei
von Ralph Hammerthaler
Das erste Mal, dass ich einen Polizisten nicht nur auf der Straße, sondern auch in einer Wohnung sah, war leider bei mir zu Hause. Meine Mutter wollte meinen Vater anzeigen; wenig später zog sie die Anzeige zurück. Damals war ich noch klein, und ich war auch noch nicht groß, als ich von einem Polizeiwagen gestoppt wurde, ich auf meinem Fahrrad, unvorteilhaft auf der linken Spur der Straße. Der Polizist auf dem Beifahrersitz kurbelte das Fenster herunter, und weil mir auf die Schnelle nichts Besseres einfiel, tat ich empört: Bin ich zu schnell gefahren? Diese Frage überging der Polizist und wies mit erhobenem Zeigefinger darauf hin: Rechtsfahren ist amtlich. Das habe ich mir bis heute gemerkt, woran man sieht, dass das gern praktizierte, an die Einsicht appellierende Bürgergespräch der Polizei nicht immer vergeblich ist.
Das zweite Mal, dass ich einen Polizisten in einer Wohnung sah, noch dazu in seiner eigenen, war in Rosenheim. Max arbeitete dort für die Kripo. Ich glaube, er mochte mich, und ich mochte ihn auch, aber viel mehr noch mochte ich seine Tochter, die mich zwar auch mochte, aber nicht so, wie ich es gebraucht hätte. Oft wirkte Max ein wenig zerknirscht, und einmal ließ er ein paar Worte fallen, die ich schwer vergessen kann: Du musst es so sehen, Ralph, wir haben nur mit Abschaum zu tun.
Als ich dem Theater verfiel, sah ich immer wieder Polizisten auf der Bühne, das waren selten echte Menschen, weil meistens komisch und lächerlich gemacht, schon wegen der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020