
Heft 02/2005
double 04
Vorstellung und Warhrnehmung - Zuschauerperspektiven
Rückstichheftung mit 40 Seiten, Format: 210 x 280 mm
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
Herman Melvilles berühmter Roman von 1851 beschreibt eine Weltreise mit Schiffbruch. Nicht nur die Crew um Kapitän Ahab geht dabei zugrunde, der Roman verabschiedet auch ein ästhetisches Paradigma der Naturwahrnehmung. Die Weltmeere liefern hier kein romantisches Sehnsuchtsbild mehr, sondern sie sind Schauplätze namenloser Schrecken. Ihre ganze Macht entfalten sie nicht zuletzt, weil die Muster der menschlichen Wahrnehmung nicht hinreichen sie zu erfassen. So ist denn der weiße Wal einerseits ein Phantom,die Vision eines Dämons und Ausgeburt der Vorstellungskraft: Das Weiß des Wals wird zur Projektionsfläche menschlicher Angst vor allem, was sich wie Moby-Dicks zerrunzelte Stirn der Lesbarkeit entzieht.Andererseits ist er weit mehr als ein Symbol. Denn der Wal taucht am Ende tatsächlich aus dem Pazifik auf und vernichtet das Schiff.
Das Verhältnis von Vorstellung und Wahrnehmung ist in Melvilles Roman nicht hintergehbar:Wir können nichts von den Motiven des Wals erfahren; wir lesen allein,wie sich Vorstellung und Wahrnehmung von ihm entsprechen und nicht entsprechen. Die Frage, inwieweit die Wahrnehmung des Wals von den Vorstellungen abhängt, die sich die Mannschaft (und der Leser) zuvor von
ihm gemacht haben, bleibt. Und umgekehrt?
Es sind Fragen, die auch im Puppen-, Figuren- und Objekttheater auf ihre Weise virulent sind. Wahrnehmung und Vorstellung scheinen sich da (und nicht nur da) ständig zu verfehlen bzw. zu entgleiten.Das ist freilich kein Manko, sondern vielleicht eine der grundlegenden Möglichkeiten dieser Theaterform: Was heißt es, wenn wir eine Puppe als „belebt“ wahrnehmen? Welche Vorstellungen vom Begriff des „Lebendigen“ leiten uns als Zuschauer? Auf welche Weise beeinflusst der Blick des Zuschauers die Vorstellung vom Objekt auf der Bühne? Wie gehen die Theatermacher mit dem Wissen um diesen Blick in ihren Inszenierungen um? Wie funktioniert der kindliche Blick auf die Dinge?
Einige dieser Fragen haben die Autoren des Schwerpunktthemas untersucht. Dabei ließ sich auch ein Spektrum von sehr unterschiedlichen Beschreibungsweisen versammeln. Aus der Perspektive der Bildenden Kunst skizziert Alfred Bast einen Wahrnehmungsstil, der auf Resonanzbeziehungen zwischen Künstler und Ding basiert. Die italienische Theatermacherin Françesca Bettini hat eine literarisch-dramatische Recherche über die Integration des zusehenden Blicks beigesteuert, während der niederländische Künstler Ad van Iersel explizit über seine Beziehung zum Zuschauer beim Spielen berichtet. Gerd Taube erweitert das Thema mit einer Reflexion über die Problematik affirmativer Bestätigung der Zuschauererwartung und schließlich gibt Siemke Böhnisch einen Eindruck vom aufmerksamen Blick jenseits jeglicher Zuschaukonvention, dem Blick der Allerkleinsten unter drei Jahren.
Silvia Brendenal und Christoph Lepschy
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Thema | |
Von der Entdeckung des offen Sichtlichen oder Die Sprache der Dingevon Alfred Bast | Seite 4 |
Unsichtbare BananenEine Frage-Antwort-Spiel zwischen Gert Engel und Francesca Bettinivon Gert Engel und Francesca Bettini | Seite 8 |
Keine Gedanken, keine BotschaftGespräch mit dem niederländischen Theatermacher Ad van Ierselvon Ad van Iersel | Seite 10 |
Affirmation und PerfektionHindernisse für ein avanciertes Theatervon Gerd Taube | Seite 12 |
Das Philoktet-ProjektÜber einen Workshop mit Emilio García Wehbi in Berlinvon Oliver Kranz | Seite 15 |
Scheinwerfer der Aufmerksamkeit: Zuschauen als Bestandteil der AufführungÜber die norwegische Produktion „Dråpene“ und die Allerkleinsten im Theatervon Siemke Böhnisch | Seite 16 |
Festivals | |
Großer Bahnhof für kleine Zuschauer„Kulturbahnhof“ in Hamm: ein neues Theaterhaus für Kinder und ein fast neues Festivalvon Anke Meyer | Seite 19 |
Niederländische TheaterexperimenteÜber das Amsterdamer Festival RISKvon Silke Haueiß | Seite 21 |
Erdachte Bildwelten„Die Kleemaschine“ beim Festival WEITBLICK, Braunschweigvon Marianne Winter | Seite 25 |
Inszenierungen | |
„Ich möchte wohl ein Baum sein“„Auf Holzwegen“ des Teatron Theaters Arnsbergvon Johanna Renger | Seite 27 |
Sein Herz brennt„Feuer und Flamme“ der Pyromantiker AG im Berliner Tachelesvon Gerd Taube | Seite 28 |
Sieg über das Kino„Der Hobbit“ vom Figurentheater Wilde & Vogel und Florian Feisel in der Brotfabrik Bonnvon Elisabeth Fibich | Seite 29 |
Wie das Bild vom Einhorn durch die Schöpfung wandert„Das Mädchen mit dem steinernen Rock“ von Silke Kruse in der SCHAUBUDE Berlinvon Marianne Fritz | Seite 30 |
Von Pelztierkochern und anderen Absurditäten„Die Tagebücher von Kommissar Zufall“ von half past selber schuld im FFT Düsseldorfvon Annette Dabs | Seite 31 |
Bühne | Seite 32 |
Aufbruch in die ZukunftGespräch mit Annette Scheibler vom Stuttgarter Ensemble Materialtheatervon Annette Scheibler | |
Nachruf | Seite 36 |
Peter Klaus Steinmannn (1935 – 2004)von Christoph Lepschy | |
Buchbesprechung | Seite 37 |
Kiefer, Joachim: Die Puppe als Metapher, den Schauspieler zu denken.München: Alexander Verlag, 2004. 162 S. ISBN 3-89581-128-9von Manfred Wegner | |
Notizen | Seite 38 |
Aktuelle Premieren, Festivals, Tagungen, Werkstätten, Ausstellungen und Publikationen | |
Autoren | Seite 40 |
Impressum/Autoren |
Alfred Bast
Francesca Bettini
Siemke Böhnisch
Annette Dabs
Gert Engel
Elisabeth Fibich
Marianne Fritz
Silke Haueiß
Oliver Kranz
Christoph Lepschy
Anke Meyer
Johanna Renger
Annette Scheibler
Gerd Taube
Ad van Iersel
Manfred Wegner
Marianne Winter
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