
Heft 12/2006
IXYPSILONZETT 03/2006
Theater für Kinder und mit Kindern - Eine Liaison mit Zukunft?
Rückstichheftung mit 32 Seiten, Format: 210 x 280 mm
Es war ein ganz besonderer Wunsch, den Christel Hoffmann zu ihrem 70. Geburtstag im April 2006 hatte. Sie wollte nicht nur feiern, sondern auch mit Theaterkünstlern und Theaterpädagogen, mit Kollegen und Wegbegleitern diskutieren. Und zwar bei einem Symposium, das schließlich auf Initiative der ASSITEJ vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum in Kooperation mit der ASSITEJ und dem Theater an der Parkaue durchgeführt wurde und das unter dem Titel "Theater sehen und Theater spielen" das Grundverständnis des zeitgenössischen Kinder- und Jugendtheaters diskutieren wollte. Stellt sich die Frage, ob die Überzeugung, dass die Rezeption von Theaterkunst und die eigene kreative Beschäftigung mit dem Theater zusammengehören und sich beide Prozesse wechselseitig bedingen, tatsächlich das Grundverständnis des zeitgenössischen Kinder und Jugendtheaters ist? Diese Frage ist ebenso berechtigt, wie die Kritik an der unhinterfragten Behauptung, das Kinder- und Jugendtheater habe ein besonderes Verhältnis zu seinem Publikum und darin unterscheide es sich vom gewöhnlichen Theater. Zu fragen wäre, worin sich dieses besondere Verhältnis ausdrückt. Die Antwort, dass es im Kinder- und Jugendtheater Theaterpädagogen gebe, die für das Verhältnis zum Zuschauer zuständig seien, ist ebenso unvollständig und undifferenziert wie der Verweis auf eine besondere Spielweise, denn mit solchen Antworten wird ausschießlich auf die Produktionsseite des Theaters Bezug genommen. Wie aber Melchior Schedler schon 1969 in seinen berühmten Thesen zum Kindertheater formuliert hat, muss sich das Kind beim Theater durchsetzen, nicht das Theater beim Kind. Dieses Aperçu bezieht sich auf die Asymmetrie des Produktions- und des Rezeptionsprozesses im Theater und ist die Aufforderung zur Stärkung des Rezeptionsprozesses und der Rezipienten im Kinder- und Jugendtheater.
Nun ist dieser konzeptionelle Grundsatz nicht ausschießlich von der unbestrittenen Notwendigkeit zur besonderen Sorgfalt im Umgang mit dem jungen Publikum motiviert, sondern auch durch die Gewissheit, dass der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen in kreativen Prozessen und die Erfahrungen, die dabei gewonnen werden, wieder auf den Produktionsprozess des Theaters zurückwirken. Damit ist auch gesagt, dass das Theater diesen Umgang mit den Kindern und Jugendlichen nicht einfach nur an die Theaterpädagogik delegieren darf. Vielmehr müssen Formen und Wege gefunden werden, eben diese Erfahrungen in den Produktionsprozess des Theaters zurückfließen zu lassen.
Diese Methoden müssen nicht neu erfunden werden, denn das Kindertheater in der alten Bundesrepublik hat sich seinerzeit mit eben jenem Grundverständnis konstituiert, als ein Theater nämlich, das als Akteure und Zuschauer nur Beteiligte kennt, um spielend die Emanzipation und Sozialisation der Kinder zu befördern. Die Rede ist vom emanzipatorischen Kindertheater der siebziger Jahre, das eine gesellschaftliche Utopie verfolgte und zur Verwirklichung dieser Utopie ästhetische Mittel, die Mittel des Theaters und des Spiels, einsetzen wollte.
Eine der Forderungen von Melchior Schedler aus dem Jahr 1969 lautet: "Wir brauchen ein Kindertheater, das aus seinem Publikum Akteure macht und aus den Akteuren lernende Zuschauer." In dem Konzept der Wechselwirkung von Theater sehen und Theater spielen könnte diese Forderung umgesetzt werden. Gleichwohl fehlt es bis heute an einer theoretischen Debatte über dieses Konzept Kultureller Bildung. Das Symposium, das wir im Thementeil dieser Ausgaben von IXYPSILONZETT dokumentieren, wollte einen Impuls zu einer solchen Diskussion sein. Wir haben versucht, theoretische Überlegungen und praktische Erfahrungen miteinander in Dialog zu bringen, um damit einen Beitrag zur methodischen Grundlegung des Konzeptes von Theater sehen und Theater spielen zu leisten.
Gerd Taube
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