
Heft 05/2012
IXYPSILONZETT 02/2012
Migration - Herausforderungen für die Bühne
Rückstichheftung mit 32 Seiten, Format: 210 x 280 mm
„Ich gehe sehr ungern ins Theater“, schreibt der 17-jährige Mourad R. dem Forum Freies Theater Düsseldorf. Warum er nicht gerne ins Theater geht, kann man im dritten Band einer Brief-Edition unter dem Titel „Absagen ans Theater“ (April 2012) lesen: „… ich habe Besseres und vor allem Wichtigeres zu tun“. Theater ist für ihn wie für viele andere Schüler „eine nervende Pflichtveranstaltung“. Die jüngste Studie des Zentrums für Kulturforschung belegt das eindrucksvoll. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich von den Darstellenden Künsten nicht angesprochen. Das „Interkulturbarometer Deutschland 2012“ stellt fest: „Anteilig weniger offen ist die migrantische Bevölkerungsgruppe vor allem für Theateraufführungen, was insbesondere auch für die dritte Generation gilt.“ (www.kulturforschung.de)
Anscheinend hat unsere viel gerühmte Theaterlandschaft nicht auf Zuwanderung reagiert und kulturelle Vielfalt nicht auf der Agenda. Dabei bezeichnen sich doch insbesondere die Stadt- und Staatstheater gerne als Spiegel der Gesellschaft. In unserem Kulturstaat ist das Schauspiel aber ziemlich deutsch geblieben. Nicht nur das Publikum entspricht nicht der bunten Republik, auch im Personal und in den Produktionen ist das Theater wenig multiethnisch. Die großen Bühnen hätten es versäumt, die interkulturelle Wirklichkeit auch im eigenen Betrieb abzubilden, kritisiert zum Beispiel der türkischstämmige Regisseur Nurkan Erpulat, der am Berliner Ballhaus Naunynstraße das postmigrantische Theater behauptet. In der gleichen dpa-Umfrage vom 22. März 2012 konstatiert der Direktor des Deutschen Bühnenvereins Anstrengungen; denn die Intendantengruppe mache sich Gedanken und viele Ensembles begäben sich in die Stadt, oft an ganz ungewöhnliche Spielorte: „Kurzum: Der Wille, etwas zu tun, ist groß, Erfolge sind aber nicht leicht zu erzielen.“ Ulrich Khuon vom Deutschen Theater in der Hauptstadt könnte sich sogar eine Quote oder die Selbstverpflichtung der Branche vorstellen. „Im Grunde braucht es solche Instrumente, weil Institutionen sich nur mühsam von selbst ändern.“
Was die Großen theoretisch erörtern, haben die Kleinen längst in der Praxis verwirklicht. Das Kinder- und Jugendtheater ist zwar noch lange nicht ein postmigrantisches, wie es Azadeh Sharifi in dieser Ausgabe des ASSITEJ-Magazins observiert, definiert und postuliert, aber es spiegelt zumindest in den Schulvorstellungen die Bandbreite der Gesellschaft wider. Und da es auch immer thematisch nah daran ist, zeigt es die Problematik von Migration auf der Bühne. In Mainz heißt das Motto: „freund bin ich“ und der dortige Leiter des Jungen Staatstheaters beschreibt seinen bewundernswerten Alleingang einer Theaterpädagogik mit so genannten interkulturellen Theaterscouts. Der Hamburger Hochschullehrer Wolfgang Sting sieht im Faktor Migration eine große Chance für das Theater; sie eröffne geradezu ein ästhetisches und soziales Experimentierfeld. Das wäre zur Diskussion zu stellen*, das wäre künstlerisch weiter zu verfolgen, das wäre in der Kulturpolitik zu implementieren. Das Kinder- und Jugendtheater vorne weg. Damit Theater was Besseres und Wichtigeres zu bieten hat. Und Mourad R. vielleicht doch noch zu gewinnen ist.
Von Wolfgang Schneider
* … zum Beispiel demnächst in Biel (Schweiz) am 12. Mai 2012 im Rahmen von SPOT (www.festivalspot.ch/de/fachtagung) und in Linz, wo die ASSITEJ Österreich am 12. Juni 2012 tagt (www.assitej.at/projekte/symposien/symposien-2012/theater-mocht-mi-grantig/).
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Schwerpunkt | |
Interkulturalität im TheaterVom Umgang des Theaters mit der postmigrantischen Gesellschaftvon Wolfgang Sting | Seite 4 |
Was wollen Postmigranten im Theater?Über das Interesse von Postmigranten an deutschen Bühnenvon Azadeh Sharifi | Seite 8 |
Migranten gehen nicht ins TheaterInterkulturelle Theaterscouts am Staatstheater Mainzvon Mirko Schombert | Seite 12 |
„Where are the Rabbits?“Internationales Symposion zum Verhältnis von bildender und darstellender Kunst in Hammvon Ilona Sauer | Seite 14 |
Vermittlung | Seite 16 |
Starke Stücke vermittelnInternationales Kinder- und Jugendtheater in der Rhein-Main-Regionvon Anne Richter | |
Ungarn | Seite 18 |
Wildost-Demokratie in Ungarn?Die ungarischen Theatermachern János Novák und György Vidovszky im Gespräch mit Brigitte Korn-Wimmervon Brigitte Korn-Wimmer, János Novák und György Vidovszky | |
Musiktheater | Seite 22 |
We have a Dream„Vernetzungen“ im Musiktheater für Kinder und Jugendlichevon Matthias Schiffner | |
Dokumente | Seite 24 |
Auf der Suche nach TheaterkunstDie Kuratorinnen und Kuratoren für „Augenblick mal! 2013“ stellen sich vor | |
Zwischenruf | Seite 26 |
Brauchen Theaterverbände eine Strategie?von Thomas Zurkinden | |
In den Regionen | Seite 28 |
Von Leuchttürmen und LeuchtfeuernÜber die AG Nord der ASSITEJvon Matthias Grön | |
Rezension | Seite 29 |
Wie Theater Biografien beeinflussen kannVanessa-Isabelle Reinwand: „Ohne Kunst wäre das Leben ärmer“. Zur biografischen Bedeutung aktiver Theater-Erfahrung. München 2008. 210 Seiten, EUR 16,80. ISBN 978-3-86736-038-8von Ilona Sauer | |
Wissenswert | Seite 30 |
Festivaltermine | Seite 31 |
Impressum | Seite 31 |
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János Novák
Anne Richter
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