
Heft 06/2014
IXYPSILONZETT 02/2014
Bündnisse für theatrale Bildung
Rückstichheftung mit 32 Seiten, Format: 210 x 280 mm
„Die Lebensbedingungen in Hellersdorf haben sich nicht verbessert“, sagt Dagmar Domrös vom Theater o.N. in Berlin, „obwohl wir doch die Welt verändern wollten.“ Ihr Bericht im Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland anlässlich einer Zusammenkunft der Projektbeteiligten des Programms „Wege ins Theater! Theaterscouts im Kinderund Jugendtheater“ der ASSITEJ ist erschütternd. Die Praxis sieht halt anders aus als die Theorie. Was gut geplant und vor allem gut gedacht ist, muss noch lange nicht gut gelingen. Das Theater ist in der Realität mit Wirklichkeiten konfrontiert, die mit künstlerischen Ansprüchen kaum zu bewältigen sind. Wenn die Darstellenden Künste an- und auftreten, um Kinder und Jugendliche retten zu wollen, sind sie zum Scheitern verurteilt.
„Kultur macht stark“ klingt gut und ist programmatisch. Die „Bündnisse für Bildung“, die mit reichlich Mitteln des Bundesbildungsministeriums geschmiedet werden sollen, setzen auf kulturelle Bildung. Und das ist gesellschaftspolitisch ein richtiger Impuls. Denn bei all den Debatten fehlt es oft am Handeln, kulturpolitische Konsequenzen sind überfällig. Denn auch die Schule ist noch immer keine kulturelle Bildungseinrichtung, es fehlt der Lernbereich Kulturelle Bildung, es fällt der Musikunterricht aus und Kunst wird fachfremd gelehrt. Darstellendes Spiel ist noch immer zumeist den Gymnasiasten vorbehalten, ein Fach Theater von der Grundschule bis zur Sek II in allen Schulformen ferner denn je. Und das in einem Land, in dem jährlich fast drei Milliarden Euro öffentliche Mittel in eine Theaterlandschaft fließen, um die wir international beneidet werden und die deshalb sogar Weltkulturerbe sein soll. Bildungs- und Kulturpolitik sind sich nach wie vor fremd, ob in getrennten Ministerien, selbst in politisch gemeinsam verantworteten Dezernaten. Das verstehe wer will. Das Bundesbildungsministerium hat zumindest verstanden, dass es beispielhafter Projekte bedarf. Das war schon vor Jahrzehnten so beim Modellversuch „Künstler und Schüler“ und das ist in diesen Jahren mit den „Bündnissen für Bildung“ ganz ähnlich. Die Hoffnung, dass sich strukturell etwas tut, ist groß, das Engagement überwältigend, das Bestreben auf Nachhaltigkeit besonders ausgeprägt.
Die beteiligten Theater, ob über den Bundesverband Freier Theater, den Bund Deutscher Amateurtheater, den Bundesverband Tanz in Schulen, den Deutschen Bühnenverein oder die ASSITEJ, sind sich im besten Falle bewusst, dass sie auch Neuland betreten haben. Durch die Projektarbeit mit Partnern im sozialen Bereich kann ein anderes Theater entstehen – wenn sie es ernst meinen mit der gesellschaftlichen Teilhabe. Es geht um die künstlerischen Ausdrucksformen und um das praktische Ausprobieren, es geht um Zugänge und Zumutungen für die Produzenten und für die Rezipienten. Das kann schiefgehen, das kann zu Reibungsverlusten führen, die zum Gewinn werden, das kann das Theater in Frage stellen.
Das klappt nur, wenn das Theater sich als Werkstatt versteht, als Forschungslabor und politische Plattform. Fangen wir noch mal an mit der Idee des Schauspielens und des Geschichtenerzählens, des Hörens und Sehens, des Zeigens und Erfahrens. Theaterkunst und Theaterpädagogik werden eins, nicht additiv, sondern integrativ; kulturelle Bildung kommt nicht nach den Darstellenden Künsten, sie ist Kern der Auseinandersetzung, Mal sehen, was die Wege ins Theater bewirken, was die Bündnisse für Bildung ermöglichen, wie Kultur stark machen kann.
Wolfgang Schneider
Artikel | Seite |
---|---|
Artikel | Seite |
Schwerpunkt | |
TrotzdemEin Projektbericht des Theater o.N. in Berlin Hellersdorfvon Dagmar Domrös | Seite 4 |
Theaterscouts als Türöffner„Wege ins Theater“: Das Programm der ASSITEJ im Rahmen der Bündnissevon Anna Eitzeroth | Seite 8 |
Kreative EntdeckungsreisenTheater für alle!: Das Programm des BDAT im Rahmen der Bündnissevon Andreas Liesinger | Seite 10 |
Mit allen Mitteln der Darstellenden Kunsttanz + theater machen stark: Das Programm des Bundesverband Freier Theater e. V.von Eckhard Mittelstädt | Seite 12 |
Chancetanz – Freiraum für eigne IdeenDas Programm des Bundesverband Tanz in Schulen e.V. im Rahmen von „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“von Martina Kessel | Seite 14 |
Inhalte eigenständig entwickeln„Zur Bühne“: Das Programm des Deutschen Bühnenvereins (Bundesverband der Theater und Orchester e.V.)von Nora Friedrich | Seite 16 |
Portrait | Seite 18 |
„Das geht sehr tief, ohne dass es schwer wird“Ein Porträt des Autors, Regisseurs und Schauspielers Theo Franszvon Christian Schönfelder | |
Beiträge | |
Politik versus TheaterBericht von einer Akademie (in Vilnius)von Judith Ph. Franke | Seite 22 |
Theater als sicherer OrtNext Generation traf sich in Indienvon Reihaneh Youzbashi Dizaji | Seite 24 |
Dort spielen wo die Zuschauer sindEin Gespräch mit dem Leiter des Krokusfestivals Gerhard Verfaillievon Bernd Mand und Gerhard Verfaillie | Seite 25 |
Dokumente | Seite 27 |
Wanted! Theater, das berührt, etwas wagt und zu sagen hatDie Kuratorinnen und Kuratoren für „Augenblick mal! 2015“ stellen sich vorvon Annett Israel, Anne Paffenholz, Steffen Moor, Bernd Mand, Melanie Suchy und Dirk H. Fröse | |
Rezensionen | Seite 29 |
Theaterpädagogik ist ein LebensentwurfNorbert Radermacher (Hg.): Theater mit allen. Konzepte – Methoden – Praxisbeispiele. Schibri-Verlag, Uckerland 2014. 288 S., EUR 29,90, ISBN 978-3-86863-127-2von Wolfgang Schneider | |
Wie aus einfachen Sätzen Handlungen entstehenHorst Hawemann: Leben üben. Improvisationen und Notate. Recherchen 108. Herausgegeben von Christel Hoffmann. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2014. 229 S., EUR 18,00, ISBN 978-3-943881-83-7von Manfred Jahnke | |
Wissenswert | Seite 30 |
Festivaltermine | Impressum | Seite 31 |
Dagmar Domrös
Anna Eitzeroth
Judith Ph. Franke
Nora Friedrich
Dirk H. Fröse
Annett Israel
Manfred Jahnke
Martina Kessel
Andreas Liesinger
Bernd Mand
Eckhard Mittelstädt
Steffen Moor
Anne Paffenholz
Wolfgang Schneider
Christian Schönfelder
Melanie Suchy
Gerhard Verfaillie
Reihaneh Youzbashi Dizaji
Versandfertig in 1 - 3 Werktagen. Kostenfreier Standardversand innerhalb Deutschlands, zzgl. Versandkosten ins Ausland. Alle Preisangaben inkl. MwSt.
Zeitschrift
Neue Bücher

Ensemble in Bewegung
Wie sich das Puppentheater Magdeburg stetig neu erfindet
€ 15,00

Recherchen 154
Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung
Fragen an Heiner Müller
€ 16,00

Recherchen 160
Heiner Goebbels
Ästhetik der Abwesenheit
Texte zum Theater / Erweiterte Neuauflage
€ 18,00

Ulrike Haß
Kraftfeld Chor
Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek
€ 22,00

Ohne Worte | Körper – Botschaften
IXYPSILONZETT 2021
€ 9,50

Dialog 31
Christian Martin
War nix is nix wird nix
Stücke der Erinnerung
€ 22,00

Recherchen 158
Joscha Schaback
Kindermusiktheater in Deutschland
Kulturpolitische Rahmenbedingungen und künstlerische Produktion
€ 22,00

Axel Tangerding
40 Jahre Meta Theater
Retrospektive und Vision
€ 10,00

Recherchen 155
TogetherText
Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater
€ 22,00

Hofmann&Lindholm
Nachgestellte Szene
€ 28,00


Recherchen 159
Inne halten: Chronik einer Krise
Jenaer Corona-Gespräche
€ 18,00
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren