
Heft 10/2015
IXYPSILONZETT 03/2015
Veränderungen wahrnehmen. Fortschritt(e) auf junger Bühne
Rückstichheftung mit 32 Seiten, Format: 210 x 280 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
Günter Grass schrieb dereinst, der Fortschritt sei eine Schnecke und meinte und mahnte damit die Langsamkeit der Politik. Andere sehen den technischen Fortschritt als Segnung. Vom Fax zu Facebook? Esteve Soler titelte sein Drama „Gegen den Fortschritt“ (u.a. für Zuschauer ab 15 Jahren zu sehen im Repertoire des Gelsenkirchener Consol Theaters, Rechte beim Theaterstückverlag Korn-Wimmer). Erzählt wird in sieben Szenen von einer verstörenden Welt, in der die Menschen auf verschiedenste Situationen nicht mehr menschlich reagieren (können), sondern hilflos, gewalttätig oder gar menschenverachtend. „Szene für Szene wird in diesem Panoptikum skurriler Momentaufnahmen die Realität ein Stückchen weitergedreht und der Begriff ‚Fortschritt‘ subtil ironisiert“, kommentierte die Drama turgin Viola Hasselberg als Jurorin des Berliner Stücke markts 2008. „Wem gehört, wem nützt dieser Fortschritt, den wir haben, eigentlich? Gibt es ihn überhaupt? Gibt es ein zivilisatorisches Ziel? Wird alles besser – oder besser nicht?“
Fortschritt – im positiven Sinne –meint also die Änderung eines Zustandes. Die entscheidende Frage scheint aber die zu sein, was ändert sich zu welchem Zwecke, wie ändert es und wer ändert sich? Ver - änderungen wahrzunehmen, das ist auch die Sache des Theaters und das Kinder- und Jugendtheater ist dies - bezüglich besonders sensibel. Denn sein Publikum ändert sich zusehends. Ist das der Fortschritt? Ist er materiell zu definieren? Wie politisch ist der Fortschritt? Und wie ist Fortschritt ideell zu begreifen?
Kinder machen Fortschritte, beim Wachsen, beim Erlernen eines Musikinstrumentes oder bei der Wissensaneignung. Aber weil Fortschritt eine Erfindung der europäischen Aufklärung ist, geht es doch auch um einen Ausdruck von viel grundsätzlicherer Entwicklung, etwa als „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“, wie es der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel 1830 formulierte. Pathetisch gesagt, geht es also um die moralische Läuterung der Menschheit. Und das muss wohl in Anbetracht der immerwährenden Kriege und Katastrophen immer noch auf die theatrale Agenda; zumindest ist es ein Thema, das auf den Bühnen für ein junges Publikum verhandelt wird; beim Fratz-Festival und bei Westwind, im Rahmen der Theatervermittlung und kultureller Bildung. „Wenn ästhetische Bildung zum Ziel hat, einem Menschen das Rüstzeug an die Hand zu geben, auf seine eigene Erfahrungswelt aufbauend seine Umwelt in ihren ästhetischen Codes entschlüsseln, reflektieren und mitgestalten zu können“, schreibt Sarah Wiederhold in dieser Ausgabe, „dann muss sie auch auf die Veränderungen der Umwelt reagieren.“ Und Cathrin Rose postuliert in ihrem Zwischenruf: „Fortschritt im Theater bedeutet für mich, dass die kulturellen Institutionen in Deutschland durch ihre Kommunikation mit und über junge Menschen, diese Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung herstellen.“
Was Fortschritt ist, lässt sich in unserer globalisierten Gesellschaft nicht mehr allein auf nationaler Ebene beantworten. Je mehr die Welt zusammenwächst desto dringlicher wird es, sich darüber zu verständigen – intellektuell und künstlerisch. Die ASSITEJ Deutschland versammelte jüngst dazu zwei Dutzend Regisseure von allen Kontinenten in Mannheim. Dabei wurde schnell klar: Fortschritt ist weder ein universell von allen gleich verstandener Begriff noch ein Wert an sich. Es sind vielmehr andere Werte, die ihn formen, prägen und bis weilen korrigieren. Und das wäre zu zeigen, zu erörtern und darüber wäre zu streiten – auch im Kinder- und Jugendtheater.
Wolfgang Schneider
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Schwerpunkt | |
Die Fragen des FortschrittsDas 30. Internationale Regieseminar der ASSITEJ und eine Spielzeit der Fortschrittssuchevon Anne Richter | Seite 4 |
Die Kunst des ZuhörensEindrücke vom Internationalen Regieseminar der ASSITEJvon Jaanika Tammaru | Seite 8 |
Im Gespräch mit den Künstlern bleibenNeue Vermittlungsformate bei Westwind 2015von Hans-Christoph Zimmermann | Seite 10 |
Theaterbegegnungen mit kleinen KindernKünstlerische Kommunikation bei FRATZ 2015von Juliane Steinmann | Seite 12 |
In gleiche Stücke schneiden und verteilenPartizipation in der ästhetischen Bildungvon Sarah Wiederhold | Seite 14 |
Zwischenruf | Seite 16 |
Was ist Forschritt im Theater?Eine Frage der Kommunikationvon Cathrin Rose | |
Beiträge | |
„Take a child to childrens' Theatre“von Gabi dan Droste | Seite 18 |
Zuhause im Hier und JetztTanz mit jungen Flüchtlingen – eine Berliner Bestandsaufnahmevon Christine Matschke | Seite 20 |
Die Freiheit des ExperimentierensDas Labor der „Freispiele“ am Jungen Ensemble Stuttgartvon Manfred Jahnke | Seite 22 |
Nachruf | Seite 24 |
„Du warst die Innovatorin“Ein Nachruf auf Orna Porat – Grande Dame des israelischen Kindertheatersvon Razi Amitai | |
Wege ins Theater | Seite 25 |
Was kann Kunst?Wege ins Theater an der Parkauevon Irina-Simona Barca und Frank Röpke | |
Rezensionen | |
Krieg als Thema eines Theaters für ein junges Publikum?Thomas Maagh (Hg.): Spielplatz 28. Fünf Theaterstücke über Krieg. Verlag der Autoren Frankfurt am Main 2015. 248 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-88661-368-7von Manfred Jahnke | Seite 27 |
Eine Trilogie der ASSITEJ-Geschichte als Vermächtnis. Nachruf auf Ehrenpräsident Nat EekNat Eek, with Kim Peter Kovac and Katherine Krzys: Maintaining the New Audience for Theatre. The History of ASSITEJ. Volume III (1991 – 2005). Sunstone Press, Santa Fe 2014. 438 Seiten, 40,85 EUR, ISBvon Wolfgang Schneider | Seite 28 |
Vom segensreichen Wirken Norbert Austs Ein Buch zur Geschichte des Kinder- und Jugendtheaters KielAlina Laura Tiews: „Es ist mir federleicht ums Herz“. Die Geschichte des Kinder- und Jugendtheaters Kiel. Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, herausgegeben von Jürgen Jvon Wolfgang Schneider | Seite 29 |
Wissenswert | Seite 30 |
Wissenswert | |
Termine | Seite 31 |
Termine | Impressum |
Razi Amitai
Irina-Simona Barca
Gabi dan Droste
Manfred Jahnke
Christine Matschke
Anne Richter
Frank Röpke
Cathrin Rose
Wolfgang Schneider
Juliane Steinmann
Jaanika Tammaru
Sarah Wiederhold
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