
Heft 11/2007
Kampnagel besetzen!
Amelie Deuflhard greift an
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Was haben Jannis Kounellis, die neue Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing, die RAF, Josef Bierbichler und der Kölner Kardinal Meisner miteinander zu tun? Darauf könnten, je nach biografischer Ausgangslage, unterschiedlichste Antworten gefunden werden. Die Begriffe Konsensfeindlichkeit und Demokratie, Kommunismus und Scheitern, Theater und Eigensinn kämen darin vor und vielleicht auch die Feststellung einer gewissen Unvereinbarkeit in der Darstellung.
Wenn der Jahrhundert-Künstler Kounellis, von Frank Raddatz im Auftakt-Beitrag in unserer Ausgabe zu Potenzialen von Bildender Kunst für das zeitgenössische Theater befragt wird, gelingt es ihm, den Gedanken von Fortschritt rückzubinden an eine Kunst-Autonomie, die er nicht verwechselt mit „dem sich vergessen hingeben", im Gegenteil: Fasziniert folgt man seinen intellektuellen Flügen, wenn er gegenwärtige Kunst-Tendenzen mit solchen der Renaissance vergleicht, wenn er Gold und Dollar auseinanderhält, wenn er Gewicht als Wertschätzung des Moralischen ausweist, die Schattenlosigkeit der virtuellen Illusion, z. B. im Fernsehen, diagnostiziert. Die zentrale Forderung Kounellis' an die gegenwärtige Kunst, NEIN zu sagen zum postmodernen Übereinstimmungsgetümmel, und wie er dies in der Traditionslinie von Caravaggio, van Gogh, Pollock ( und gegen Warhol) entwickelt, koppelt ihn auch an Doris Lessing, deren Leben und deren Werk unvergleichbar aus den Tiefen des 20. Jahrhunderts und seinen grundsätzlichen Irrtümern herkommt, deren Kernthesen der Rehabilitierung der Frau in diesem Jahrhundert eine gänzlich neue - noch bedrängendere Dimension annehmen wird. Symptomatisch wie durchsichtig die postwendende Reaktion des bundesdeutsche Konsens-Feuilletons - aber auch ein abermaliger Beleg für Kounellis' Erkenntnis: „Der Konsens ist der Feind der Kreativen." Wir beglückwünschen die Literaturnobelpreisträgerin 2007 Doris Lessing und wertschätzen die Entscheidung des Stockholmer Preis-Komitees, die kleingeistigen Bekundungen zuwiderläuft und auf unabgegoltene Geschichte/n beharrt.
Kleingeistig die Ausführungen des Kölner Kardinals Meisner zu nennen, verbietet sich angesichts dessen Wortwahl von „entarteter Kultur", die in Deutschland überhand nähme. Josef Bierbichler geht in seiner Kolumne zunächst der ganz eigenen Frage nach, ob sein Ersatzbewusstsein daseinsnötige Voraussetzung von Kunst ist, um schließlich eine überraschende Engführung von Kardinal und Künstler zu entdecken: „Aber wenn beide jeweils [...] sichihres Daseins als Lügner nicht immer wieder aufs Neue und immer wieder anders zu erfinden,... dann verkommt der Glaube im Fundamentalismus, und die Kunst wird Kunstgewerbe [...]"
Was Bierbichler zur Kunst und zur Kirche sagt, da bindet sich Gegenwart an un/vollendeter Geschichte, und wir sind bei den Bemühungen des bundesdeutschen Theaters, wieder verstärkt an die jeweils eigene Stadt-, Regional- und damit Landesgeschichte anzudocken: bereits im Oktober-Heft hatten wir über das vom Schauspiel Stuttgart vorbereitete RAF- Projekt „Endstation Stammheim" berichtet. Wir begleiten nun die erste Premierenstaffel und werden dies auch in Zukunft tun - wie auch im Theater in Karlsruhe, wo der Sohn des ermordeten Bundesstaatsanwalt Buback plötzlich aufsteht und den gesellschaftlichen Kontext aufkündigt. Hier erleben wir in der Tat erste Momente einer Renaissance zeitgenössischen politischen Theaters in Deutschland, welches mit neuer Dringlichkeit und in eigener Darbietung Wunden des eigenen Landes durchleben lässt - siehe auch da: das Gespräch mit Jannis Kounellis - eine folgenreiche Lektüre wünscht
Ihre Redaktion
Wolfgang Behrens
Björn Bicker
Josef Bierbichler
Esther Boldt
Franz Anton Cramer
Anja Dürrschmidt
Dorte Lena Eilers
Thomas Engel
Tina Fibiger
Hermann Götz
Nicole Gronemeyer
Anna Häusler
Christian Horn
Hans-Jörg Kapp
Sebastian Kirsch
Hans-Georg Knopp
Ralf-Carl Langhals
Dea Loher
Rudolf Mast
Anna Opel
Frank M. Raddatz
Axel Schalk
Lena Schneider
Shirin Sojitrawalla
Willibald Spatz
Anna Teuwen
Benjamin Wihstutz
Hans-Christoph Zimmermann
€ 6,99
Zu den Apps
Versandfertig in 1 - 3 Werktagen. Kostenfreier Standardversand innerhalb Deutschlands, zzgl. Versandkosten ins Ausland. Alle Preisangaben inkl. MwSt.
Die elektronische Ausgabe steht direkt nach dem Kauf zur Verfügung. Unsere eMagazine können Sie mit nahezu allen Geräten lesen, da das PDF ein plattformunabhängiges Format ist.
Zeitschrift
Neue Bücher

Arbeitsbuch 31
Circus in flux
Zeitgenössischer Zirkus | Contemporary Circus
€ 24,50



Recherchen 163
Charlotte Wegen
Der Faden der Ariadne und das Netz von Mahagonny im Spiegel von Mythos und Religion
Eine Untersuchung der Opernwerke Ariadne auf Naxos und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
€ 22,00



Theresa Schütz
Theater der Vereinnahmung
Publikumsinvolvierung im immersiven Theater
€ 22,00

Recherchen 156
Ästhetiken der Intervention
Ein- und Übergriffe im Regime des Theaters
€ 18,00

Anne Fritsch
Pledge and Play
How the Passion Play in Oberammergau Changes a Village and Impacts the World
€ 15,00

Anne Fritsch
Theater unser
Wie die Passionsspiele Oberammergau den Ort verändern und die Welt bewegen
€ 15,00
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren