
Dialog 14
Stadt der Zukunft
Kurzdramen
Herausgegeben von Jan Linders und Tobias Schuster
Paperback mit 208 Seiten, Format: 140 x 190 mm
ISBN 978-3-942449-33-5
"Von diesen Städten wird bleiben, der durch sie hindurchging: der Wind!", prognostizierte der leidenschaftliche Städtebewohner Bertolt Brecht. Neunzig Jahre später ist der Wind in den Städten fast schon wieder eine Utopie. Ausgebremst von Windparks, ausgesperrt von bis zur Unkenntlichkeit isolierten Beinahe-Passiv-Häusern, erinnert jede Brise an eine Zeit, als der immer schnellere, höhere, weitere Fortschritt durch die anwachsenden Straßenschluchten noch eine klare Richtung hatte. Aber wo liegt die Zukunft der Stadt heute? Wo liegt die Stadt der Zukunft? Wer sind ihre idealen Bewohner und wie wollen sie leben? Welche Rolle kann das Theater, seit 2500 Jahren Marker und Katalysator einer Stadtgesellschaft, in der Zukunft spielen?
Das Staatstheater Karlsruhe hat zwanzig jüngere Dramatikerinnen und Dramatiker eingeladen, zum Thema Stadt der Zukunft ein Kurzdrama zu entwerfen, eine Situation, einen Konflikt, eine Idee. Die dramatischen Skizzen führen uns durch Städte, in denen nach den Irrwegen der Stadtplanung schließlich die Natur das Ruder übernommen hat, lassen uns in Abgründe hinter bürokratischen Fassaden blicken, in dystopische Visionen einer streng überwachten, doch vom Zusammenbruch bedrohten Festung Europa, und weiter bis zu humorvollen Phantasien einer fernen Zukunft, in der die Computer an der Macht sind und Außerirdische auch über Karlsruhe kreisen.
Autorinnen und Autoren:
Jörg Albrecht, Ekat Cordes, Dmitrij Gawrisch, Daniela Janjic, Jérôme Junod, Timo Krstin, Konradin Kunze, Konstantin Küspert, Wolfram Lotz, Sascha Macht, Azar Mortazavi, Mathilda Onur, Bonn Park, Semir Plivac, Kristo Šagor, Bernhard Studlar, Laslo Vince, Olivia Wenzel, Ivna Žic
Seit 2500 Jahren ist Theater Stadttheater, ist die Stadt selbst Thema der Dramatik. Schon die Athener Klassiker lenkten den Blick auf die Stadt als politische ebenso wie architektonische Konstruktion. In der Frage, wie wir Bürger leben wollen, kreisen Kunst, Architektur und Politik um ein gemeinsames Zentrum. Innovative Planungen und real existierende Kompromisse lassen sich an unseren Städten meist in mehreren Schichten ablesen. Der erste Blick auf den Karls ruher Stadtplan beispielsweise offenbart die Gründungsvision eines Herrschers, dessen Schloss auch knapp 300 Jahre später noch Zentrum und Fluchtpunkt des strahlenförmigen Straßensystems darstellt.
Jede Stadt hat immer wieder Zukunftsvisionen, ob ihr Leitbild nun religiös, militärisch, merkantil, ästhetisch oder neuerdings ökologisch bestimmt ist. Nach der Industrialisierung träumte man von der Befreiung des Arbeiters aus der Mietskaserne. Eine Gruppe um den Schweizer Architekten Le Corbusier entwickelte 1933 in ihrem Manifest, der „Charta von Athen“, die Utopie einer modernen Planstadt: Man wollte in Hochhäusern leben, einer neuen, durchgrünten Stadtlandschaft, fernab von der Blockbebauung des hochverdichteten Molochs Innenstadt. Wenig später war daraus der Traum der „autogerechten Stadt“ erwachsen, in der Entfernung keine Rolle spielte und der individuellen Freiheit von Menschen und Autos kaum mehr Grenzen gesetzt sein sollten. Heute zerschneiden vielspurige „Stadtautobahnen“ die deutschen Innenstädte, „Autogerechtigkeit“ gilt längst nicht mehr als Heilsversprechen, und vielerorts versucht man, die Oberfläche wieder für die Fußgänger zu gewinnen und den Verkehr unter die Erde zu schieben – aber auch diese Maßnahmen stoßen vor allem aus Kostengründen auf Widerspruch. Der Verlust politischer Utopien wird beklagt, während zugleich die großen urbanistischen Entwürfe des zwanzigsten Jahrhunderts als gescheitert abgeurteilt werden. Was Stadtplanung betrifft, sind die radikalen Neuentwürfe heute pragmatischeren oder gar restaurativen Lösungen gewichen.
Wer in Mitteleuropa mit Architekten und Städteplanern spricht, bekommt zu hören, die Zukunft der Städte liege in ihrem Bestand. Bauen im Bestand, sanieren, umbauen, nachverdichten, energetisch optimieren – mehr sei nicht drin. Eigentlich gebe es genug Raum für eine schrumpfende Bevölkerung, genug Wohnungen, aber auch genug Arbeitsstätten, Verkehrswege, Einkaufszonen, Erholungsgebiete, Kulturorte. Die Stadt der Zukunft sehe nicht viel anders aus, sagen sie, allenfalls ihr Hitzegrad werde sich ändern, der Grad ihrer globalen Vernetzung, ihrer Armut aber Sexyness, ihrer Standortqualität, der Grad der durch sie durchgehenden Ströme von Waren, Dienstleistungen, Menschen.
„Von diesen Städten wird bleiben, der durch sie hindurchging: der Wind!“, prognostizierte der leidenschaftliche Städtebewohner Bertolt Brecht. Neunzig Jahre später ist der Wind in den Städten fast schon wieder eine Utopie. Ausgebremst von Windparks, ausgesperrt von bis zur Unkenntlichkeit isolierten Beinahe-Passiv-Häusern, erinnert jede Brise an eine Zeit, als der immer schnellere, höhere, weitere Fortschritt durch die anwachsenden Straßenschluchten noch eine klare Richtung hatte. Aber wo liegt die Zukunft der Stadt heute? Wo liegt die Stadt der Zukunft? Wer sind ihre idealen Bewohner und wie wollen sie leben? Welche Rolle kann das Theater, seit 2500 Jahren Marker und Katalysator einer Stadtgesellschaft, in der Zukunft spielen?
Wir haben zwanzig jüngere Dramatikerinnen und Dramatiker eingeladen, zum Thema Stadt der Zukunft ein Kurzdrama zu entwerfen. Die Texte werden in Räumen uraufgeführt, die den Zuschauern normalerweise nicht zugänglich sind, Räume hinter der Bühne, also die Werkstätten, Probebühnen, Lüftungszentralen, Schalträume, in denen die Zukunft des Theaters täglich produziert und das Theater als Stadt erfahrbar wird, zumal im Staatstheater Karlsruhe, einem 1975 eröffneten Monument des Futurismus. Alle Autoren schreiben für das Theater im deutschsprachigen Raum, aber viele haben, so ermittelt der Zensus 2011 den Migrationshintergrund, nicht nur deutsche Eltern oder Großeltern.
Die dramatischen Skizzen führen uns durch Städte, in denen nach den Irrwegen der Stadtplanung schließlich die Natur das Ruder übernommen hat, lassen uns in Abgründe hinter bürokratischen Fassaden blicken, in dystopische Visionen einer streng überwachten, doch vom Zusammenbruch bedrohten Festung Europa, und weiter bis zu humorvollen Phantasien einer fernen Zukunft, in der die Computer an der Macht sind, Außerirdische auch über Karlsruhe kreisen und 3-D-Filme aus dem 23. Jahrhundert in historischen Museen Zeugnis einer längst vergangenen analogen Epoche ablegen. Andere Entwürfe visionieren über die radikale Entschleunigung durch die Abschaffung des Autos oder sehen in einer Rückbesinnung auf den Stummfilm die Zukunft unserer Müdigkeitsgesellschaft.
Einige der Autoren sind bereits erfahren und ihre Stücke vielfach aufgeführt, viele jedoch durchliefen erst jüngst die vielfältigen Ausbildungen und Förderprogramme für Szenisches Schreiben zwischen Zürich, Wien, Leipzig, Graz und Berlin und stehen am Anfang ihrer Arbeit. Wir hoffen, in dieser Mischung einen unerwarteten, überraschenden Ausschnitt neuer Dramatik zeigen zu können. Wir danken den künstlerischen Leiterinnen Nina Gühlstorff und Dorothea Schroeder für ihre Ideen und Strukturen, Jenny Flügge und den Assistenten für ihre Organisation, den Abteilungen im Staatstheater Karlsruhe für ihren Einsatz mitten im Wahnsinn eines Intendanzstarts, den Studierenden und Lehrenden der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart für die gute Kooperation. Wir danken den Schauspielern, den Regisseuren Matthias Bauerkamp, Pedro Martins Beja, Simone Blattner, Manuel Braun, Ekat Cordes, Robert Hartmann, Jan Koslowski, Anton Krause, Timo Krstin, Sebastian Lang, Jana Polasek, Carina Riedl, Christina Schelhas, Martin Süß und den Ausstattern Prisca Baumann, Andreas Hartmann, Barbara Lenartz, Veronika Mund, Laura Rasmussen, Thomas Rustemeyer für ihre intensive Arbeit.
Wir sind dem Verlag Theater der Zeit dankbar für das schöne hier nun vorliegende Buch. Vor allem danken wir allen Dramatikern für ihre Beiträge, wünschen den Besuchern der Inszenierungen aufregende Erfahrungen, allen beteiligten Künstlern eine gute, nachhaltige Zeit in Karlsruhe und den Lesern anregende Stunden.
Jan Linders, Schauspieldirektor; Tobias Schuster, Schauspieldramaturg
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
Nimm dir, was dein Herz begehrt! [nur nicht mich]von Jörg Albrecht | Seite 11 |
Ein SchlagEin kurzes Stück, das kurz in und dann über Karlsruhe spieltvon Ekat Cordes | Seite 31 |
Statt der Zukunftvon Dmitrij Gawrisch | Seite 41 |
Das Aufnahme-Quizvon Daniela Janjic | Seite 48 |
Jetzt aberPräludium und Fugevon Jérôme Junod | Seite 53 |
Metropolis – eine Intervention ohne Mandatvon Timo Krstin | Seite 68 |
neodymvon Konradin Kunze | Seite 74 |
maschine stadt menschvon Konstantin Küspert | Seite 91 |
von der zukunftvon Konstantin Küspert | Seite 101 |
Rede zum unmöglichen Theatervon Wolfram Lotz | Seite 107 |
Denn ich bin die Stadt, die nur durch mich ist, und ich bin ihre Zerstörung, der mächtige Sturmvon Sascha Macht | Seite 111 |
Himmel und Höllevon Azar Mortazavi | Seite 118 |
Innenstadtvon Mathilda Fatima Onur | Seite 127 |
2289: Johnny Kilometà und die Beerdigung von Gott FaustEin Trailervon Bonn Park | Seite 132 |
Ein Privilegvon Semir Plivac | Seite 142 |
Das Salz ist auch nicht mehr so salzig wie früherSzene/nvon Kristo Šagor | Seite 151 |
Universal Chinatownvon Bernhard Studlar | Seite 156 |
Mausfreiheitvon Laslo Vince | Seite 160 |
ARKADEN (AT)Auszüge aus dem Arbeitsprotokollvon Olivia Wenzel | Seite 170 |
Als meine Mutter eine Tochter warEin Kurzstück für einen Chor und Enavon Ivna Žic | Seite 178 |
Autorinnen und Autoren | Seite 185 |
Rechtenachweis | Seite 205 |
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