
Heft 02/1984
Eine Aporie: Georg Büchner als Musikdramatiker
Broschur mit 80 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
Georg Büchners Eintritt in die Musikgeschichte erfolgte mit dem irritierenden Ereignis des Alban Bergschen »Wozzeck«, und die Irritation ging offenbar nicht allein von Bergs atonaler Musik aus. Ein gleiches Maß an Verunsicherung barg das Sujet und dessen sozialkritischer Impuls, der seit Gerhart Hauptmanns »Webern« zwar auf der Schauspielbühne heimisch war, aber nicht, damals noch nicht, in der Oper. Sie galt als ein Reservat zeitloser Empfindungen und moralischer Werte, als Refugium fürstlichen Wesens oder märchenhaft-mythischen Treibens, als vor der Wirklichkeit beschirmtes Traumreich, in das kein gequälter, halb verrückter Soldat störend einzubrechen hatte. Selbst Arnold Schönberg meinte, man solle besser Engel komponieren und keine Offiziersdiener. Des armen Wozzecks Auftritt revolutionierte die Opernbühne; was 1925 als außenseiterisches Unternehmen, als »Experiment«, erschien, hat sich längst als ein Einbruch in traditionelle opernästhetische Wertvorstellungen von weitreichenden Folgen erwiesen. Paul Dessau sah in »Wozzeck« die Oper, in der das »Element des Scheins«, das Adorno als das Wesen der Oper überhaupt ansah, durch das »Element des Seins« ersetzt wurde.
Er konnte dies umso berechtigter feststellen, als in Bergs Oper zugleich der von ihm geprägte Typ eines politischen Musiktheaters vorgeprägt war, denn 1925 betrachtete man »Wozzeck« keinesfalls als historisch, sondern er verschmolz mit der Gestalt des Landsers aus dem Ersten Weltkrieg zu einer Konfiguration, die auf das konservative Publikum, in dem noch die Novemberrevolution nachzitterte, wie eine Provokation wirkte. Wenn auch die einzigartige Qualität des Werkes aus der Partitur resultiert, so läßt sich doch nicht leugnen, daß Sujet und rezeptionsgeschichtliche Verkettung ebenfalls ihren Anteil an der Bedeutung des »Wozzeck« beanspruchen dürfen, und damit rückt der Name Georg Büchners in das Umfeld opernästhetischer Überlegungen. Denn Bergs »Wozzeck« blieb auch hinsichtlich des literarischen Stofflieferanten nicht folgenlos; in den folgenden Jahrzehnten wurden ausnahmslos alle Arbeiten des mit 23 Jahren verstorbenen Dichters vertont, viele mehrmals.
Sogar »Woyzeck« fand in Manfred Gurlitt 1926 noch einen zweiten Komponisten. Auf der Liste finden sich weiter Gottfried von Einem »Dantons Tod« (1947), »Leonce und Lena« von Julius Weismann (1925) und Kurt Schwaen (1961) und Rudolf Wagner-Régenys »Der Günstling« (1935). Ende der siebziger Jahre erwachte das Interesse der Komponisten an Büchner erneut, und es entstanden beinahe gleichzeitig zwei neue Vertonungen von »Leonce und Lena« durch Paul Dessau (1978) und Thomas Hertel (1979), die Kammeroper »Jakob Lenz« von dem BRD-Komponisten Wolfgang Rihm (1978) und Friedrich Schenkers »Büchner« (1981). Worauf gründet sich dieses Interesse? Denn den bei Berg wichtigen sozialkritischen Impuls wird man nicht umstandslos und ohne weiteres anführen können, da er außer bei »Woyzeck« nicht vordergründig erscheint. Es ließe sich vielleicht vermuten, daß Büchner, als einer der Ahnen des Realismus, in seinen Denkweisen inzwischen auf dem Theater heimisch geworden ist und einen automatischen Erfolg garantiert, aber dem widerspricht die Realität. Büchners Stücke sind keinesfalls populär, und auch die Opern konnten keine raschen Erfolge verbuchen. Man muß wohl für dieses Interesse andere und tieferliegende Gründe aufspüren, und ich meine, er ließe sich in Büchners besonderen ästhetischen Verfahren finden, die Zugriffe auf die Wirklichkeit ermöglichen, die anderer Art sind als die der meisten herkömmlichen Opernlibretti mit ihrer Realitätsverschlüsselung durch Geschichte oder Mythologie [...].
Aus Gerhard Müller: Georg Büchner als Musikdramatiker. Anmerkungen zu einer Aporie, S. 11-14
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Umschau | |
Deutsch-Sorbisches Volkstheater BautzenWelche, von den Frauen? von Alfred Matusche. Regie: Dietrich Zimmermann, Ausstattung: Peter Friedevon Martin Linzer | Seite 1 |
Bühnen der Stadt Magdeburg - KammerspieleMusen von Peter Hacks. Regie: Rainer Schwarz, Ausstattung: Friederike May a. G.von Knut Lennartz | Seite 1 |
Bühnen der Stadt Magdeburg - KammerspieleEin Yankee an König Artus Hof von Claus Hammel. Regie: Wolfgang Heiderich, Ausstattung: Dagmar Melchers a. G.von Volker Trauth | Seite 2 |
Puppentheater der Stadt HallePeter und der Wolf von Sergej Prokofjew. Regie: Klaus-Udo Klix / Rolf Thieme, Ausstattung: Carlheinz O. Städtervon Martin Morgner | Seite 2 |
Städtische Theater Karl-Marx-Stadt - SchauspielhausBruder Eichmann von Heinar Kipphardt. Regie: Hartwig Albiro, Ausstattung: Volker Walthervon Martin Linzer | Seite 3 |
Landesbühnen SachsenAllein mit allen von Alexander Gelman. Regie: Gertrude Schareck, Ausstattung: Eberhard Söhnelvon Silvia Brendenal | Seite 3 |
Volkstheater Rostock - Großes HausDas schlaue Füchslein von Leoš Janáček. Regie: Matthias Pohl, musikalische Leitung: Hans-Dieter Baum a. G., Ausstattung: Klaus Webervon Wolfgang Lange | Seite 4 |
Thomas-Müntzer-Theater EislebenHans Sachs von Albert Lortzing. Regie: Werner Hasselmann a. G., musikalische Leitung: Klaus Erdmann, Ausstattung: Carlheinz O. Städter a. G.von Annette Siegmund-Schultze | Seite 4 |
Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin - Großes HausDie schlecht behütete Tochter von Dauberval / Hérold. Choreographie/Inszenierung: Udo Wandtke, musikalische Leitung: Manfred Hänsel, Ausstattung: Giselher Pilzvon Dietmar Fritzsche | Seite 5 |
Friedrich-Wolf-Theater NeustrelitzDie Liebenden von Verona von Spies / Gsovsky. Choreographie/Inszenierung: Eugen Kurtzweg, musikalische Leitung: Klaus-Peter Modest, Ausstattung: Eberhard Bleichertvon Volkmar Draeger | Seite 5 |
Umfrage | Seite 6 |
Zeitgenössische Oper und SpielweiseEine Umfrage unter Komponisten der DDR (I): Karl-Rudi Griesbach, Jens-Uwe Günther, Robert Hanell, Siegfried Matthus, Kurt Schwaen, Siegfried Tiefensee, Karl Otto Treibmannvon Siegfried Matthus, Karl-Rudi Griesbach, Kurt Schwaen, Karl Ottomar Treibmann, Jens-Uwe Günther, Robert Hanell und Siegfried Tiefensee | |
Kolumne | Seite 7 |
Kleine Bühnen, große Bühnenvon Hans-Rainer John | |
Musikdramatik | Seite 11 |
Georg Büchner als MusikdramatikerAnmerkungen zu einer Aporievon Gerhard Müller | |
Oper | Seite 14 |
Klangereignis »Levin«Anmerkungen zu Aufführungen von Udo Zimmermanns »Der Schuhu und die fliegende Prinzessin« in Cottbus und Meiningen, »Levins Mühle« in Magdeburgvon Wolfgang Lange | |
Uraufführung | Seite 17 |
Triumph der potenten GemeinschaftUraufführung der Oper »Hase Nasehoch« von Hugo Raithel in Bautzenvon Wolfgang Lange | |
Oper | Seite 18 |
Rostocker Bilderbogen»Sechse kommen durch die Welt« von Knaup / Bürkholz in Rostockvon Elke Schneider | |
Ingrid Donnerhack im Gespräch mit Andreas Knaup und Thomas Bürkholzvon Andreas Knaup, Thomas Bürkholz und Ingrid Donnerhack | |
Uraufführung | |
Spiel um Doktor FaustUraufführung der Oper Kurt Schwaens in Brandenburgvon Dietmar Fritzsche | Seite 19 |
Dietmar Fritzsche im Gespräch mit Kurt Schwaenvon Dietmar Fritzsche und Kurt Schwaen | Seite 20 |
Garderobengespräch | |
Garderobengespräch mit Johannes Kemter (Aufzeichnung von Mathias Rank)von Mathias Rank und Johannes Kemter | Seite 21 |
Sänger über ihren Lehrervon Peter Schreier, Rolf Haunstein, Jürgen Freier, Rolf Tomaszewski, Spas Wenkoff und Klaus König | Seite 22 |
Utopie | Seite 25 |
Das Theater Richard Wagners - Utopie oder Realität? (II)von Joachim Herz | |
Ballett | |
Vorbildliche Talentförderung und EnsembleerziehungDer »Klassische Ballettabend« an der Staatsoper Dresdenvon Ursula Kirsten-Collein | Seite 28 |
DornenreichHermann Rudolph choreographierte Tschaikowskis »Dornröschen« in Leipzigvon Kurt Petermann | Seite 30 |
Uraufführung | |
Kammertanz im Bauhaus»Der Salon« / »Triptychon« (Uraufführung) in Dessauvon Volkmar Draeger | Seite 31 |
Dietmar Fritzsche im Gespräch mit Wolf Buttervon Dietmar Fritzsche und Martin G. Butter | Seite 32 |
Ungarn | Seite 33 |
Rock-Szenen in Budapestvon Joachim Robert Lang | |
Polen | Seite 36 |
Zwischen Dejmek und KantorNeue Eindrücke vom polnischen Theatervon Martin Linzer | |
Puppentheater | Seite 39 |
Nach alten TextenZu »Undine«-Aufführungen am Puppentheater Karl-Marx-Stadt und bei Simons LARIFARIvon Martin Morgner | |
Inszenierungen | |
Lulu zuschandenKlaus-Dieter Kirst inszenierte Wedekinds Tragödien »Erdgeist« und »Die Büchse der Pandora« am Staatsschauspiel Dresdenvon Jochen Gleiß | Seite 41 |
Hell und Dunkel»Bluthochzeit« von García Lorca in Zwickau / »Mariana Pineda« in Brandenburgvon Achim Gebauer | Seite 42 |
Erstaufführung | Seite 44 |
»Jura Soyfers Welttheater«Zur DDR-Erstaufführung von »Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang« und »Vineta« am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittauvon Helmar Schramm | |
Shakespeare | |
Beim Theater in die Lehre gehen ...Anläßlich von Shakespeare-Aufführungen in Meiningen und Nordhausenvon Armin-Gerd Kuckhoff | Seite 46 |
Ohnmacht = ohne MachtShakespeares »Hamlet« am Hans-Otto-Theater Potsdamvon Ingeborg Pietzsch | Seite 47 |
DDR-Dramatik | Seite 48 |
Im Ensemble der Künste - DDR-Dramatik 1983 (I)Vor den IV. Werkstatt-Tagen des Schauspiels, Mai 1984 in Leipzigvon Peter Reichel | |
Zum Stückabdruck | Seite 51 |
Thema ist der FriedenskampfDer Dramatiker Rudi Strahl im Gespräch mit Hans-Rainer Johnvon Hans-Rainer John und Rudi Strahl | |
Stückabdruck | Seite 52 |
Das Blaue vom HimmelEin Spiel mit Tod und Teufel in drei Aktenvon Rudi Strahl | |
TdZ-Informativ | Seite 65 |
Begegnung mit Tanz | |
Inland | |
Musikstudenten inszenierenvon Hans-Rainer John | Seite 66 |
Gesangsabsolventen stellten sich vorvon Dietmar Müller | Seite 66 |
Friedrich-Wolf-Archiv | Seite 67 |
Piscator zum 90.von Frank Starke | Seite 67 |
Notenmaterial zur »Dreigroschenoper«-Premiere 1928von Fritz Hennenberg | Seite 67 |
Personelles | Seite 68 |
Hans Pischner 70 | |
Unterwegs | Seite 68 |
Inland | Seite 69 |
Qualifizierung von Dirigentenvon Ingrid Korn | |
Symposium zur Puppentheaterforschungvon Helga Kollhoff | |
Ausland | |
Pariser Theaterleben (II)von Claudio Guidi | Seite 70 |
Ein Theaterereignis aus Südafrikavon Peter Schütt | Seite 72 |
Briefe | Seite 72 |
Einspruchvon Erhard Preuk | |
Schade -von Manfred Nössig | |
Bücher | Seite 73 |
Ernst Stern: Bühnenbildner bei Max ReinhardtHenschelverlag Kunst und Gesellschaft, dialog, 1983, 155 S., 4,- Mvon Ingeborg Pietzsch | |
Solch ein Volk nennt sich nun Künstler ... Schauspielererinnerungen des 18. und 19. Jahrhunderts, herausgegeben von Rolf KabelHenschelverlag, Berlin 1983, 535 S.,13,- Mvon Hans-Rainer John | |
Jakob von Stählin: Theater, Tanz und Musik in Rußland. Musikwissenschaftliche Studienbibliothek Peters, Edition Peters, Leipzig 1982Peters Reprints, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, 295 Seiten, 29,50 Mvon Volkmar Draeger | |
Die griechische Tragödie in ihrer gesellschaftlichen Funktion, hrsg. v. Heinrich KuchVeröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Band 11. Berlin 1983, 253 S., 9 Zeichnungen, 36 Abbildungen, 28,- Mvon Gerhard Piens | |
Spielpläne | Seite 74 |
Vom 16. Februar bis 15. März 1984 | |
Premierenkalender | Seite 75 |
Vom 16. Februar bis 15. März 1984 | |
Besetzungen | Seite 76 |
Ur- und Erstaufführungen / Schauspiel / Musiktheater / Tanz | |
Autoren | Seite 79 |
Impressum | Seite 79 |
Inhalt | Seite 80 |
Silvia Brendenal
Thomas Bürkholz
Martin G. Butter
Ingrid Donnerhack
Volkmar Draeger
Jürgen Freier
Dietmar Fritzsche
Achim Gebauer
Jochen Gleiß
Karl-Rudi Griesbach
Claudio Guidi
Jens-Uwe Günther
Robert Hanell
Rolf Haunstein
Fritz Hennenberg
Joachim Herz
Hans-Rainer John
Johannes Kemter
Ursula Kirsten-Collein
Andreas Knaup
Helga Kollhoff
Klaus König
Ingrid Korn
Armin-Gerd Kuckhoff
Joachim Robert Lang
Wolfgang Lange
Knut Lennartz
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Dietmar Müller
Gerhard Müller
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