
Magazin
Volker Brauns Langgedicht „Luf-Passion“ in der Berliner Akademie der Künste
von Thomas Irmer
Das Luf-Boot aus Papua-Neuguinea, ein Ende des 19. Jahrhunderts aus einem einzigen Stamm gefertigtes Langboot mit zwei Segeln und einem Ausleger, ist zum Symbol der Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte und ihrer unklaren Darstellung in ethnologischen Sammlungen geworden. Als Prachtstück im neu eröffneten Berliner Humboldt Forum, in das es aus den bis in die Kaiserzeit zurückreichenden Sammlungen in Berlin-Dahlem gebracht wurde, sollte es auch die hochstehende Pflege und Bewahrung des Weltkulturerbes repräsentieren. Vor der Umsetzung wurde das 15 Meter lange Holzboot „entwest“, das heißt von Ungeziefer und anderem Befall gereinigt, und anschließend durch eine eigens dafür verbliebene Öffnung in den jetzigen Ausstellungsraum geschoben. Mit der Eröffnung des Humboldt Forums war es somit eingemauert – und die Diskussion begann.
Der Historiker Götz Aly bestritt in seinem kurz vor der offiziellen Eröffnung erschienenen Buch „Das Prachtboot“ (Mai 2021) einen irgendwie rechtmäßigen Erwerb des Boots von seinen Erbauern, deren kleines Volk der Lufiten im kaiserlich kolonisierten Bismarck-Archipel nach Angriffen, Verschleppung zur Zwangsarbeit und Krankheiten zum Untergang verurteilt war. Entscheidend ist die Formulierung des Geschäftsführers der Handelsgesellschaft Hernsheim & Co., Max Thiel, dass das Boot „in meine Hände übergegangen“ sei. Kaufbelege und dergleichen gibt es nicht, aber wie Thiel die Verschiffung des Boots nach Deutschland organisierte und an die Berliner…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2022

Protagonisten
Die Schauspielerin Maike Knirsch vom Thalia Theater Hamburg im Porträt
von Hans-Dieter Schütt
Spiel darf so ziemlich alles. Spiel ist eine Erlaubnis, von der Romantik ausgestellt: Mag das Leben entgeistert oder gebieterisch glotzen – wir schauen trotzdem so in die Runde, als gäbe es noch eine Welt woanders. Es gibt sie ja tatsächlich. Überall dort, wo der Mensch erfährt, was mit ihm – und unverwechselbar nur mit ihm! – gemeint sei. Dort, wo er erfährt, auf welche Weise er zu sich selbst kommen kann.
Maike Knirsch sitzt mir in einer der Proberäume des Thalia Theaters Hamburg gegenüber, in der Altonaer Gaußstraße, und worüber wir auch sprechen – ihre Erzählung ist: Frage, Prüfung. Ist Suche nach jener Welt woanders; tastend wirkt sie, drängend, bei gleichzeitiger Vorsicht, sie könne bei ihren Selbst- und Berufserklärungen nur immer bei den falschen Worten landen, bei Worten, die zu forsch, zu eindeutig sind. Zugriffe mit Zögern. Besitznahme mit Bedacht.
Im Dezember 2021 erhielt die gebürtige Stendalerin den Boy-Gobert-Preis der Hamburger Körber-Stiftung. Juryvorsitzender Burghart Klaußner: „Maike Knirsch bringt das Kunststück fertig, ganz im Moment zu spielen und ihrer Figur zugleich mit einem wohlwollenden Lächeln beim Spielen zuzusehen.“ Und dann stand die 26-Jährige auf der Bühne, in einer Gemütsmischung aus erkennbarer Aufregung und ebenso sichtbarer Souveränität, sie blickte lange in den Saal, und man begriff in diesem Moment Ewigkeit, in dieser Ewigkeit von Moment, was Kafka als einen Kern von Schauspiel bezeichnete: „diese Frechheit, sich anschauen zu lassen“.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2022