
Heft 11/2015
double 32
Theaterprobe als Möglichkeitsraum
Rückstichheftung mit 60 Seiten, Format: 210 x 280 mm
ISSN 0040-5418
“Sometimes I film my drawings or make a theater production. But the process is still like drawing. If someone would ask me “How would you do X?”, I havn’t got a clue. The answer comes from the physical activity on paper. It’s working from the center outward.” (Der südafrikanische Künstler William Kentridge in einem Interview in der New York Times, 29.02.04)
Hier geht es um eine künstlerische Arbeitsweise, die dem Verständnis von Theaterprobe im 19. Jahrhundert wahrscheinlich sehr fremd war: aus der Intuition schöpfen, ohne Textvorlage, womöglich Szenisches aus vager bildnerischer Imagination entwickeln, aus der Bewegung, aus Rhythmen oder zufälligen Umständen – und gar aus technischen Unzulänglichkeiten Konfliktstoff exzerpieren. Das mochte man vielleicht dem Puppentheater als kindlich apostophierter Kunst zugestehen, wie Christoph Lepschy in seinem Beitrag zu Goethes Theaterroman „Wilhelm Meister“ zeigt. Die Vorbereitung einer Schauspielaufführung hingegen konzentrierte sich ganz auf das Memorieren und Deklamieren des Textes.
Heute konstituiert sich die Auffassung von der Probe als Möglichkeitsraum und behauptet gegenüber der schlussendlich entstehenden Produktion einen Eigenwert der künstlerischen Entwicklungsprozesse. Das zeitgenössische Puppen- und Objekttheater findet gerade über sein Verständnis von Probe als ergebnisoffenes – meist auch bildgestalterisches – Versuchlsabor, wie es Markus Joss beschreibt, zu oft überraschenden Darstellungslösungen. Dabei stößt es allerdings im Rahmen etabalierter Theaterstrukturen (Schauspielhäuser) teilweise an Grenzen, die u.a. durch festgeschriebene Probenabläufe und Zeitfenster gezogen werden.
Weitergehende Öffnungen der Probensituation auf die Vorstellung hin und umgekehrt, der bewusst erzeugte Mangel an Sicherheit auf der Bühne, der dem Zufall auch in hoch formale und durchkomponierte Inszenierungen Einlass gewährt, werden im Gespräch mit der Regisseurin Gisèle Vienne ebenso thematisiert wie im Beitrag der Performerin Eva Plischke. Grundsätzliche Überlegungen zur Probe als energetischen Prozess stellen Meike Wagner und Wolf-Dieter Ernst an. Einen Einblick in besondere Probenbedingungen, die schöpferische Energien befördern, gibt Silvia Brendenals Bericht über eine Künstlerresidenz auf den Lofoten. Und in Heiki Ikkolas Reflektionen über die Arbeit an „Ruanda Memory“ rückt auch die Problematik des künstlerischen Umgangs mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen in den Blick: mit der Gemengelage von Gewalt, Flucht, Schuld und eigener Verstrickung.
Der den Thementeil abschließende Bericht über die Arbeitsweisen des internationalen Studierendentreffens in Straßburg schlägt einen Bogen zum französichsprachigen Essay (beide befassen sich mit dem Komplex Körper-Objekt-Bild) und auch zur Rubrik „Next Generation“, in der es um Experimentierlust der Nachwuchskünstler und konzeptionelle Tendenzen geht. Die Stippvisite führt dieses Mal in die rumänische Puppentheaterszene und gejubelt wird in Leipzig – wo der Westflügel seit nunmehr zehn Jahren als Produktionszentrum für Figurentheater reüssiert.
Anke Meyer und Katja Spiess
SUMMARY
Creating from intuition, movement, rhythm and fortuitous circumstances without the aid of a previously written text; even extracting dramatic conflicts from the technical inadequacies of mechanical protagonists… In the eighteenth century we might possibly have conceded some of these factors to puppet theatre when it was in its baby shoes. By contrast preparations for a theatre play were concentrated completely on memorising and declaiming a literary text, as is clear from our lead article on Goethe’s theatre novel “Wilhelm Meister". The thematic section of “double” deals with the changing concepts of rehearsal work and its related energy processes; with rehearsals as a place for exploring potentialities and asserting one’s own values in the process of artistic development over against the “finished” production. It is also about how open-ended rehearsals in contemporary puppet and object theatre often result in surprising performative solutions.
Underwatersolargrau. Diese Ausgabe von double wird von Arbeiten der Künstlerin Sabine Wassermann begleitet.
Sie experimentiert mit assemblageartigen Kompositionen, die fotografiert und digital bearbeitet werden.
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Theaterprobe als Möglichkeitsraum | |
Erste BegegnungenÜber Probenanfängevon Christoph Lepschy | Seite 6 |
Schrecken auf ProbeVeronika Darian im Gespräch mit der Regisseurin Gisèle Viennevon Gisèle Vienne und Veronika Darian | Seite 10 |
SollbruchstellenZur Spezifik der Produktionsweisen im Theater der Dingevon Markus Joss | Seite 12 |
Womit anfangen? Und wie?Zur Entstehung von „Ruanda-Memory. Eine Geschichte in neun Objekten“ der Cie. Freaks und Fremdevon Heiki Ikkola | Seite 14 |
Erneuerbare EnergienEnergetische Prozesse in der Probenarbeitvon Wolf-Dieter Ernst und Meike Wagner | Seite 18 |
Probenparadies am Ende der WeltProduktionsresidenzen des Nordland Visual Theatre auf den Lofoten (NO)von Silvia Brendenal | Seite 21 |
Nachjustieren und nochmal von vorn beginnenFranziska Burger spricht mit Mariaus Kob über die Proben zu „Frankenstein“ am Schauspielhaus Baselvon Franziska Burger und Marius Kob | Seite 24 |
Was wir erproben, wenn wir probenGedanken über das Außerhalb und Jenseits der Theaterprobevon Eva Plischke | Seite 26 |
Platz dem Forschen und Experimentieren!Rencontres Internationales Corps_Objet_Image in Straßburgvon Tanja Höhne | Seite 28 |
Essai en Français | Seite 30 |
Corps, Objet, Image. Ceci est une questionvon Alice Godfroy | |
Festivals | |
Lust an der VerunsicherungDas 19. internationale Figurentheater-Festival in Erlangen, Nürnberg und Fürthvon Christina Röfer | Seite 32 |
Vielfalt oder Fülle?Betrachtungen zum Festival Mondial des Théâtres de Marionnettes in Charleville-Mézièresvon Tim Sandweg | Seite 36 |
Stippvisite: Rumänien | Seite 38 |
Den Blick öffnenBeobachtungen zu Schauspiel und Figurentheater in Rumänienvon Thomas Lang | |
Jubeln | Seite 42 |
Künstlerisches Wuchern im WestflügelJubiläum und neue Inszenierung in Leipzigvon Tobias Prüwer | |
Inszenierungen | |
Doppelbödige Nummernrevue der PathologienGisèle Vienne und Puppentheater Halle: „Das Bauchrednertreffen“von Veronika Darian | Seite 44 |
Der große Schmerz im kleinen Leben„Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ von den flunker produktionen in der Schaubude Berlinvon Katja Spiess | Seite 45 |
Überleben im Verlies aus Klischees„Survival Women“ im Marotte Figurentheater Karlsruhevon Gerrit Münster | Seite 46 |
Seitenblick | Seite 47 |
Just Pixels?Kurzbesuch auf zwei Film-Festivals in Oberhausen und Stuttgartvon Anke Meyer | |
Next Generation | |
Achtung, laufendes Experiment!Die Stuttgarter NEWZ zeigen junges Figurentheatervon Julia Feigl | Seite 48 |
In bester Begleitung„Versuchung Nr. 6“ mit jungem Puppen-, Figuren- und Objekttheater in der Schaubude Berlinvon Johannes Gruhl | Seite 50 |
Notizen | Seite 52 |
Impressum | Seite 56 |
Silvia Brendenal
Franziska Burger
Veronika Darian
Wolf-Dieter Ernst
Julia Feigl
Alice Godfroy
Johannes Gruhl
Tanja Höhne
Heiki Ikkola
Markus Joss
Marius Kob
Thomas Lang
Christoph Lepschy
Anke Meyer
Gerrit Münster
Eva Plischke
Tobias Prüwer
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Tim Sandweg
Katja Spiess
Gisèle Vienne
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