Theaterprobe als Möglichkeitsraum
Sollbruchstellen
Zur Spezifik der Produktionsweisen im Theater der Dinge
von Markus Joss
Alle Theaterarbeit ist Dialog. Nur stellt sich die Frage: Wer darf mitreden, wer wird gehört; wer darf mitspielen, wird in Betracht gezogen? Der folgende Text ist ein Plädoyer für zwei auf den ersten Blick sich ausschließende Strategien: Der radikalen Ausweitung des Dialoges auf viele potenzielle Akteure und der ebenso rigorosen Entscheidung fürs Ausgrenzen, Zurechtstutzen, das Maul verbieten oder gleich ganz stopfen - wo dieses Not tut. Das Vokabular ist brachial. Aber die Akteure werden es aushalten, sie sind aus Stahl, Holz, Latex, es sind Kabelstränge, Fußschalter, Projektionsgeräte, es sind Steuerungssoftware verpackt in Hardware, harte Sachen. Und wer zu ihnen geht, vergisst den Hammer nicht und nicht den Lötkolben.
DINGE BEGREIFEN
Es sind Dinge mit einer je spezifischen materiellen Bedingtheit. Das Ding ist in der Kunstform, über die hier gesprochen wird, das konstituierende Element. An ihm und mit ihm findet Kommunikation und unmittelbares Erleben statt. Im Folgenden soll hier also von einem Theater der Dinge die Rede sein. Das schließt sowohl die Puppe ein, die das Atelier verlassen hat, wie jene Dinge, die gleichsam roh und unbearbeitet auf die Bühne finden.
All diese Dinge müssen erst mal begriffen werden. Und hier fängt der geforderte Dialog an. Mit einem Begreifen in ganz eigentlichem Sinne. Wer mit Dingen arbeitet und sie nicht begriffen hat, wird schwerlich mit ihnen in einen Dialog treten können. Er sieht sie von außen und wird sie nur als solche einzusetzen wissen. Im schlimmsten Fall bleiben sie ihm bloße Zeichen. Damit aber wäre des beste Teil unserer Kunst vertan! Begreifen ist die Aufforderung, die Dinge in ihrer Bedingtheit zu erfassen. Hier zuallererst in ihrer materiellen Bedingtheit.
SPERRIGE DIALOGPARTNER
Es wurde schon gesagt, um welche Art Dialogpartner es geht. Mit ihm auf der Bühne stehen aber auch Menschen. Das „Material Spieler“ glaubt man gemeinhin zu kennen. Und hier sollen ihm auch nur ein paar Zeilen gewidmet sein und nur um ihn gegen das Ding in einem Punkte abzugrenzen: Wir kennen ihn, weil wir uns kennen. Aus Fleisch und Blut ist er und wird geleitet von seiner Psyche und seiner Physis. So individuell er ist, er ist uns dennoch ähnlich und selbst wenn der geforderte Dialog schwierig werden sollte, wir glauben uns gütlich einigen zu können. Denn ist es nicht eine Qualität: die Verwandlungsfähigkeit des Spielers!? Er wird sich seiner und unserer Vorstellung, wie etwas zu sein hat, anverwandeln. Und der Rest an Widerständigkeit ist konzeptionell gewollt oder nicht gekonnt.