
Heft 08/2010
Theater in Kuba
Geschichte, Alltag, Utopie
Rückstichheftung mit 60 Seiten, Format: 210 x 280 mm
ISSN 9783-9424
Kuba befindet sich seit Beginn der neunziger Jahre in einem Prozess des Wandels. Derzeit erholt sich das durch eine Zentralverwaltungswirtschaft regierte Land nur langsam von der periodo especial, der Wirtschaftskrise in den neunziger Jahren, und bemüht sich neben der Verteidigung der sozialistischen Utopie, den in den letzten Jahren erreichten wirtschaftlichen Aufschwung aufrechtzuerhalten. Die kubanische Theaterszene zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt aus. Sie besteht aus einem breiten Spektrum dramatischer Stimmen aus verschiedenen Generationen, die die Mythen und Rituale der Gesellschaft ebenso aufgreifen wie aktuelle existenzielle Konflikte und die individuelle Auseinandersetzung mit ihnen. Gleichzeitig führt das Theater in Kuba permanent den Kampf ums Überleben. Trotz staatlicher Subventionen ist es aufgrund materieller Knappheit weiterhin auf den Idealismus, den Schaffensdrang, die Solidarität und Improvisationsgabe der Künstler angewiesen. Weitere gravierende Probleme sind der Mangel an gut ausgebildeten, jungen Regisseuren, der Rückzug professioneller Bühnenkünstler aus der Theaterwelt, die sich aus finanziellen Gründen profitableren Aktivitäten wie Film- und Fernsehproduktionen zuwenden müssen, sowie die stetige Auswanderung von Schauspielern, Dramatikern und Theaterleitern.
Die Suche nach Cubanidad, nach der Essenz des Kubanischen, ist seit je ein hochexplosives Thema in Kuba. Im 19. Jahrhundert erreichte der Identitätsdiskurs auch die Bühne. Mit der Bekräftigung des kreolischen Einflusses auf die Nation und in subversiver Pose gegenüber dem kanonisierten Eurozentrismus im öffentlichen Leben Kubas entstand eine Kultur des Widerstands gegen die spanische Vorherrschaft. Noch heute ist Theater in Kuba immer auch ein mit frecher Bissigkeit gewürztes, kluges Spiel mit Parabeln und Allegorien, die die Zensur geschickt umschiffen. Auch dieses Heft zeugt davon.
Vorliegendes Insert zeigt, dass die Kultur des Widerstands und das Streben nach Cubanidad auf den Bühnen der Insel bis heute ihre Spuren hinterlassen. Es entstand in enger Kooperation mit dem kubanischen Theaterverlag Tablas-Alarcos. Selbstverständlich können auf diesen wenigen Seiten weder alle Theaterbereiche noch alle Künstlerstimmen des Landes erfasst werden. Dennoch liegt die Besonderheit dieser Publikation darin, dass sie erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme des zeitgenössischen kubanischen Theaters anstrebt, die - mit drei Ausnahmen - ausschließlich einheimische Autoren und Künstler zu Wort kommen lässt. Der Leser wird in die institutionelle Struktur der kubanischen Theaterlandschaft eingeführt und erhält einen Überblick über die bewegte Geschichte des kubanischen Theaters. Er erfährt, wie die im 19. Jahrhundert entstandene starke Theatertradition, die Anfang des 20. Jahrhunderts von kommerziellen Strukturen verdrängt wurde, in den Vierzigern ein Revival erlebt, mit der Revolution 1959 ihren Durchbruch erlangt und die Herausforderungen der periodo especial in den Neunzigern bewältigt. Auseinandersetzungen mit der Aufführungspraxis der heutigen progressiven Vorreitergruppen und der vielversprechenden zeitgenössischen Dramatik bilden weitere Schwerpunkte. Abgerundet wird das Insert durch Gespräche mit Regisseuren und Dramatikern sowie Porträts anderer Theatermacher.
2008 besuchte ich die Deutsche Theaterwoche in Havanna, die seit 2006 in Zusammenarbeit mit dem Kubanischen Nationalrat für Bühnenkunst, der Stiftung Ludwig und dem Verlag Tablas-Alarcos vom Verbindungsbüro des Goethe-Instituts organisiert wird. Die hier dargelegten Erkundungen setzen einen Dialog fort, der damals mit dem Festival begann, und bieten eine solide Grundlage für die Vertiefung der hier aufgeworfenen Fragen durch zukünftige Analysen.
Ich danke Yohayna Hernández González, die auf kubanischer Seite als Redakteurin offen und flexibel die Arbeit am vorliegenden Heft betreut hat, sowie dem Verlagsleiter von Tablas-Alarcos Omar Valiño und der Redakteurin Karina Pino Gallardo für die Mithilfe bei der Realisierung dieses Projekts.
Mehdi Moradpour (Konzept und Koordination)
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Vorwortvon Mehdi Moradpour | Seite 4 |
Theater und StaatStruktur, Finanzierung, Ausbildung: Orientierungspunkte auf der Karte des kubanischen Theatersvon Omar Valiño | Seite 6 |
Epoche des ErwachensDas 20. Jahrhundert: Die Entstehung eines nationalen kubanischen Theatersvon Graziella Pogolotti | Seite 12 |
Die Katharsis des GuerillerosDer Nonkonformist: Der Schauspieler Carlos Pérez Peñavon María Mercedes Ruiz Ruiz | Seite 16 |
Die Verteidigung der UtopieDie neunziger Jahre in Kuba: Theater im Ausnahmezustandvon Vivian Martínez Tabares | Seite 18 |
Spiegel der NationDie wichtigsten Theatergruppen Kubas heutevon Norge Espinosa Mendoza | Seite 24 |
Mit dem Körper des Schauspielers schreibenDie Regisseurin Nelda Castillo im Gesprächvon Amarillis Pérez Vera | Seite 30 |
Vielfältig, konstrastreich, schonungslosZeitgenössische kubanische Dramatikvon Osvaldo Cano | Seite 32 |
Das Verborgene offenlegenDer Autor Abel González Melo im Gesprächvon Mehdi Moradpour und Abel González Melo | Seite 38 |
Jenseits nationaler SchubladenWeder US-amerikanisch noch kubanisch: Transnationales Theater in den USAvon Lillian Manzor | Seite 40 |
Förderer des AustauschsRegisseur der Begegnung: Alberto Sarraínvon Lillian Manzor | Seite 44 |
Arbeiten im AugenblickDie Doyenne des kubanischen Kostümbildes: María Elena Molinetvon Luis Enrique Valdés Duarte | Seite 46 |
Brücken der VerständigungWie das Verbindungsbüro des Goethe-Instituts in Havanna den deutsch-kubanischen Austausch fördertvon Petra Röhler | Seite 48 |
Theater in Kuba ist AlltagZwei Zaungäste aus Deutschland: Armin Petras und Philipp Löhle im Gesprächvon Armin Petras, Phillipp Löhle und Mehdi Moradpour | Seite 50 |
Osvaldo Cano
Norge Espinosa Mendoza
Abel González Melo
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