!Stadttheater Greifswald Theaterstadt?
von Thomas Wieck
Dem Theater Greifswald in unterschiedlichster Weise seit Jahrzehnten verbunden, versuche ich sowohl meinen Erinnerungen Raum zu geben als auch den Gegenstand aus dem Blickwinkel des Theatergeschichtlers historisch umfassend und quellengestützt darzustellen. Ich bemühe mich, die oftmals arg strapazierte Beziehungsgeschichte zwischen dem Greifswalder Theater und der Stadt Greifswald unter dem Diktat wechselnder staatlicher Gewalten nachzuerzählen. Dabei werde ich manches mehr hervorheben, anderes wieder mehr in den Hintergrund verweisen und einiges anders gewichten, als es bisher in den schmalen historischen Erinnerungen und Darstellungen des Theaterlebens in Greifswald üblich war. Möglichweise komme ich so, und mit mir der Leser, dem zwar scheinbar zeitlosen und doch jederzeit hoch umstrittenen Phänomen „Deutsches Stadttheater“ auf seine Lebensspur.

Anekdotische Schnurren auf und hinter der Bühne, hochgetriebene Kantinenschwänke, sensationelle Enthüllungen merkwürdig erregender Amouren, wofür Theater bestimmt ein guter Nährboden ist, Garderobenklatsch aller Art sind nicht zu erwarten. Nicht, weil es derartiges nicht zu berichten gäbe – teilweise ist das andernorts nachlesbar –, sondern deshalb, weil all das den Blick verkleben würde für das Wichtige, den gnadenlosen Existenzkampf, der im und um das Theater Greifswald die längste Zeit seines Bestehens geführt wurde. Entgegen manch anderer Erfahrungen ist das Treiben des Ministeriums für Staatssicherheit in diesem Zusammenhang nicht weiter erwähnenswert. Vielleicht saß die Stasi mit in der Kantine, vielleicht nicht; vielleicht saß sie in manchem Büro, möglicherweise im allerheiligsten Büro, oder auch nicht. Hier gab es nichts zu verbergen und hier gab es keine Agentur des Klassenfeindes auszuheben. Die politische Geheimpolizei drangsalierte einige, vielleicht auch mehr als nur einige Mitglieder des Theaters in ihrer außertheatralischen, ihrer bürgerlichen Existenz, aber sie ließ im Theater selbst den Dingen weitgehend ihren Lauf. Individuelle Schicksale erschließen sich sowieso kaum aus den vorhandenen Archivalien, selten genug blitzt eines beunruhigend auf und lässt den Leser ratlos, mit unbeantwortbaren Fragen zurück. Zwei aus früheren Zeiten, vor 1945, sind mir besonders aufgefallen: