
Einar Schleef, Kontaktbögen
Fotografie 1965 - 2001
Herausgegeben von Wolfgang Behrens und Harald Müller
kartoniert mit 255 Seiten, Format: 297 x 238 mm
ISBN 978-3-934344-58-7
Ein Gemeinschaftsprojekt mit der Akademie der Künste, Berlin
Einar Schleef (1944 - 2001), der über einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren große Außenseiter nicht nur des deutschsprachigen Theaters, sondern auch der Literatur und der bildenden Kunst, legte kurz vor seinem Tod der Akademie der Künste Berlin ein Konzept für eine Foto-Ausstellung vor. Ursprünglich gedacht als eine Bestandsaufnahme in der Lebensmitte, präsentiert, nach dem plötzlichen Tod Schleefs, die von Februar bis April 2006 dauernde Ausstellung im Akademie Neubau am Pariser Platz in Berlin Schleefs fotografisches (Lebens-)Werk in der Ambivalenz von Biographie und deutsch/deutscher Geschichte. Die im Nachlass aufgefundenen Kontaktbögen, zumeist schwarz-weiß, geben Zeugnis von dem, was der Fotograf Schleef suchte, beobachtete, selektierte und neu zusammensetzte. Die Arbeiten sind ungeschminkt, rau und niemals arrangiert. So bezwingt Schleef das flüchtige Hinsehen, den vorschnellen Blick auf das scheinbar Alltägliche.
Der immense Wissenszuwachs der vergangenen Jahrhunderte hat die Welt der Moderne in schier unendlich viele Fachgebiete filettiert und den Spezialisten zum Inbegriff des tätigen Lebens gemacht. Das Attribut "universal" beschränkt sich heute auf Märkte und Unternehmen, Genies wie einst Leonardo oder Gelehrten wie ehemals Humboldt kommt es nicht mehr zu. Nur in den Künsten treten noch ab und an singuläre Mehrfachbegabungen auf, Universalkünstler, denen eine Disziplin nicht genügt, um ihre Ausdruckswut zu bändigen. Sie sind selten, aber es gibt sie, in ihrer Universalität und Ganzheit sind sie vormodern, und doch tragen ihre Werke meist das Mal der radikalen Unbedingtheit auf der Stirn. Arnold Schönberg etwa war so einer, der komponierend der Musik neue Wege zeigte, der aber auch malte und schrieb.
Und Einar Schlee Er erfand sich auf dem Theater neue unverwechselbare, oftmals angefeindete Ausdrucksformen, er schrieb Prosa und Dramatik von höchst eigenwilligem Duktus, mit enervierender Intensität arbeitete er auch als Maler, er war Künstler, Ausdrückender, mit seiner ganzen Existenz.
Ins Bewußtsein der Öffentlichkeit rückte Schleef zuerst als skandalträchtiger Regisseur und sperriger Schriftsteller. Bald darauf jedoch versuchte Schleef in Ausstellungen wie "Republikflucht Waffenstillstand Heimkehr" (Akademie der Künste, 1992) die Gesamtheit seines künstlerischen Kosmos zu zeigen: Gemälde, Fotos, Installationen, Theatervideos und Texte waren dort zu sehen, Querbezüge zwischen den einzelnen Disziplinen seines Schaffens drängten sich auf. Nach seinem Tod im Jahre 2001 geriet zunehmend der Bildende Künstler Schleef ins Blickfeld, mehrere Ausstellungen waren ihm gewidmet.
Zu entdecken gilt es den Fotografen Einar Schleef. Die Ausstellung "Kontaktbögen" der Akademie der Künste und das zur Ausstellung erscheinende, vorliegende Fotobuch wollen hierzu einen Beitrag leisten. Noch zu Lebzeiten hatte Schleef mit der Akademie eine Fotoausstellung vereinbart, die er nicht mehr realisieren konnte. Immerhin hat sich eine Konzeptskizze erhalten, die die Titel "Kontakt", "Kontaktbögen", "Tagebuch-Kontakt" oder "Foto-Biografie in Bildern" vorschlägt und eine grobe Kapitelstruktur vorgibt. Sowohl die Ausstellung als auch das vorliegende Buch folgen dieser Einteilung, wohlwissend, daß die genauen Intentionen Schleefs nicht zu rekonstruieren sind. Aus dem Konzept geht jedoch deutlich die autobiographische Absicht hervor, der zufolge in den Fotos der Mensch Schleef und seine persönliche Topographie kenntlich werden sollten. Schleefs Wohn- und Arbeitsorte Sangerhausen, Berlin, Frankfurt/Main und New York spannen jene Welt auf, die Schleef fotografierend vermaß, deren untergründige Geschichten er einzufangen suchte und zu der er sein künstlerisches Ich in Beziehung setzte.
Elfriede Jelinek schreibt in diesem Band, jedes Foto Schleefs sei "ein Anfang, ein erstes Foto, dahinter und davor eine sehr lange Geschichte." Auch sein Lehrer Arno Fischer zielt auf ein Dahinter, wenn er sagt, Schleef habe "aus dem Unterbewußtsein heraus fotografiert" und so das Stumme zum Reden gebracht. Jedenfalls ist es ein eigenartig insistierender Blick, mit dem Schleef die Welt sondierte, es ist - um Barbara Honigmann zu paraphrasieren - das erwachsen-genaue Hinsehen des großen Babys aus Sangerhausen. Die Herausgeber danken der Akademie der Künste, insbesondere deren Vizepräsidenten Matthias Flügge und der Ausstellungskuratorin Regine Herrmann sowie dem Archiv der Akademie der Künste, für die konstruktive Zusammenarbeit, den Schleef Erben für ihre tatkräftige Unterstützung sowie Arno Fischer für die kompetente Aufarbeitung des fotografischen Werkes Einar Schleefs.
Berlin, im Januar 2006
Harald Müller und Wolfgang Behrens
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