
Recherchen 57
Kleist oder Die Ordnung der Welt
Herausgegeben von Wolfgang de Bruyn, Ulrich Katzer und Markus Wieners
Paperback mit 232 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 9783940737137
"Eine spielerische Spurensuche" Märkische Oderzeitung
„Ich ging an jenem Abend vor dem wichtigen Tage meines Lebens in Würzburg spazieren. Als die Sonne herabsank, war es mir, als ob mein Glück unterginge. Mich schauerte, wenn ich dachte, daß ich vielleicht von allem scheiden müßte, von allem, was mir teuer ist. Da ging ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Tor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen - und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken läßt." (Kleist an Wilhelmine von Zenge, 16./18.11.1800)
Das berühmte Gleichnis vom Würzburger Torbogen ist Ausgangspunkt und Impuls, das Thema „Ordnung der Welt" in den Blick zu nehmen. Dabei ist das Bild durchaus paradox, verbindet es doch orientierenden Halt mit dem Einstürzen der Verhältnisse. „Kleist oder Die Ordnung der Welt" fragt nach der Verortung Heinrich von Kleists in der Gegenwart. Namhafte Theatermacher wie Armin Petras und Hasko Weber sowie Wissenschaftler/innen wie Carl Hegemann und Wolf Kittler berichten über ihre Auseinandersetzungen mit dem Dichter und seinem irritierenden Werk. Spielerisch-kreativ nehmen die hier erstmals vereinten Preisträger/innen des Kleist-Förderpreises das titelgebende Thema auf. Eine essayistische und photographische Suche nach Spuren Kleists im aktuellen Frankfurt/Oder vervollständigen das Buch.
»Entzücken ohne Mass und Ordnung«
Ein Vorwort
Kleist oder Die Ordnung der Welt. Ist Kleist die Ordnung der Welt? Oder ihr Gegensatz?
Heinrich von Kleists Leben und Werk fielen aus der gegebenen Ordnung, und dennoch oder gerade deshalb beschäftigten ihn Ordnungen. In fast obsessiver Weise führte Kleist Ordnungen und Regeln seiner Welt an die Grenzen der Belastbarkeit: Staatsordnungen, Standesordnungen, Geschlechterordnungen, Regeln des Krieges und der Liebe, der Bühne, der Grammatik, der Physik und Moral. Die hier herrschenden Aporien und Paradoxien finden sich exemplarisch in seinem berühmten Bild des Würzburger Torbogens.
Ich ging an jenem Abend vor dem wichtigsten Tage meines Lebens in Würzburg spazieren. Als die Sonne herabsank war es mir als ob mein Glück unterginge. Mich schauerte wenn ich dachte, daß ich vielleicht von allem scheiden müßte, von allem, was mir teuer ist.
Da ging ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Tor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen - und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken läßt. (Kleist an Wilhelmine von Zenge, 16./18. November 1800)
Wie steht es aber mit Kleist und der Ordnung der Welt heute? Oder, anders formuliert, mit Kleist und der Ordnung unserer Welt?
Dieser Frage nachzugehen, erging im Frühjahr 2008 ein Aufruf an Wissenschaftler, Theaterschaffende, Autoren und Publizisten, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit Heinrich von Kleist auseinandergesetzt haben. Im Wissen um die Schwierigkeit, die Komplexität und Unerschöpflichkeit der thematischen Verbindung »Kleist und Ordnung« ordentlich zwischen zwei Buchdeckeln zu bändigen, entschieden wir uns bewusst für eine assoziative Herangehensweise, nicht für eine vollständige und systematische Aufarbeitung des Themas. Daher haben wir die Experten dazu eingeladen, sich aus persönlicher, aktueller Sicht und mit allen formalen und inhaltlichen Freiheiten auf »Kleist oder Die Ordnung der Welt« zu beziehen.
Dennoch ist jede Redaktion der Notwendigkeit einer Ordnungsgebung unterworfen - unsere Ordnung entstand im Nachhinein. Die ordnungsschaffenden Kapitel, die wir nun gewählt haben (Kleist. Begegnungen / Kleist. Überlegungen / Kleist. Visionen), verstehen sich als eine erste Orientierung. In einem weiteren Kapitel nimmt das Buch den Versuch einer heutigen Verortung Kleists in seiner Geburtsstadt Frankfurt (Oder) vor. Eine Ausnahme stellt das letzte Kapitel dar: Denn was wäre die Un-Ordnung ohne Ordnung? Hier werden erstmals alle Preisträger des Kleist-Förderpreises für junge Dramatiker von 1996 bis 2007 zusammengeführt. Die Verbindung dieser mittlerweile renommierten Autoren zu Kleist manifestierte sich zunächst einmal »von außen« - durch eine Juryentscheidung. Dieser Appendix ist der sicherlich vollständigste Teil des Buches, aber zugleich auch der assoziativste.
Dieses breite Spektrum verschiedenster Texte aus Theorie und Praxis überlassen wir Ihnen nun zur Ordnung - vielleicht schon als kleiner Vorbote für das Jubiläumsjahr 2011, Kleists 200. Todestag.
»Schaff Ordnung hier!« (Heinrich von Kleist in Robert Guiskard)
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
»Entzücken ohne MaSS und Ordnung«Ein Vorwort | Seite 7 |
Kleist. Begegnungen | |
Michael Kohlhaas, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner ZeitDer ewige Widerspruchvon Crescentia Dünßer | Seite 12 |
Liebe im Zeitalter der Befreiungskriegevon Eduard Schreiber | Seite 19 |
Hier, wo alles mit dem Tode endigt …Kleists »Penthesilea« und die Wahrheit des Kriegesvon Alexander Weigel | Seite 27 |
Kleistkrisenvon Michael Eberth | Seite 32 |
Kleist. Überlegungen | |
Ein rhetorischer Regieansatz nach Heinrich von Kleistvon Joachim Knape | Seite 42 |
Für eine soziale Alchemie des UnwahrscheinlichenKleist als Klassiker der »Projektemacherei«von Sibylle Peters | Seite 50 |
Kleists extremes Theatervon Volker Klotz | Seite 59 |
Für eine Literatur des Krieges – RevisitedCarrière, Safranski und Kluge lesen Kleistvon Michael Börgerding | Seite 70 |
Täuschende Ordnungen des WissensKleist und die Naturwissenschaftenvon Jürgen Daiber | Seite 77 |
»Die armen lechzenden Herzen!«Kleist, Goethe und die Sehnsucht nach (Un-)Ordnung in der literarischen Weltvon Bernd Hamacher | Seite 87 |
Kleist. Visionen | |
Was ist Macht? Wem kann man trauen?von Alexander Kluge | Seite 96 |
Prinz Hein van de Cruijffvon Albrecht Hirche | Seite 100 |
Wannsee. BloggerPhantasie über Kleist und seine Schlachten für gemischten Chorvon Oliver Schmaering | Seite 104 |
Welche Welt? Welche Ordnung?von Hasko Weber | Seite 110 |
Terror gegen Musikvon Mathieu Carrière | Seite 114 |
Kleist – der Dramatiker der AuftragstaktikFriedrich Kittler im Gespräch mit Frank Raddatzvon Frank-M. Raddatz und Friedrich Kittler | Seite 121 |
»Es traf sich …« | |
Der komische Dichter197 Jahre totvon Ralph Hammerthaler | Seite 136 |
Kleist Stadt FrankfurtFrankfurt an der Oder, 2007von Holger Herschel | Seite 146 |
»Ordentlich ist heute die Welt; sagen Sie mir, ist sie noch schön?« | |
Wir Glückssuchervon Guido Gin Koster | Seite 165 |
Besuch von meiner Schwestervon Marius von Mayenburg | Seite 174 |
König Karlvon Katharina Gericke | Seite 177 |
Wunder seinvon Dirk Dobbrow | Seite 181 |
Das schöne Lebenvon Andreas Sauter und Bernhard Studlar | Seite 186 |
Sieben Jahrevon Katharina Schlender | Seite 192 |
Einwohnervon Ulrike Syha | Seite 199 |
Dachte ich dächtevon Rebekka Kricheldorf | Seite 204 |
Vorstellungsbeginn und Endevon Daniel Mursa | Seite 209 |
Kleist ist überallvon Reto Finger | Seite 212 |
Silberhöhe gibts nich mehrvon Dirk Laucke | Seite 216 |
… da die empfindung einzig retten kannvon Claudia Grehn | Seite 220 |
Anhang | Seite 224 |
Autorinnen und Autoren |
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„Eine spielerische Spurensuche.“Märkische Oderzeitung
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Zum Herausgeber
Ulrich Katzer
Weitere Beiträge von Ulrich Katzer
Nachwort
Das Land Bum-Bum
(Der Lustige Musikant). Oper für Kinder und Erwachsene nach Dobrovenskij von Rainer Kirsch. Musik von Georg Katzer
Bibliographie
Beiträge von Ulrich Katzer finden Sie in folgenden Publikationen:

Wagen wir die Wildnis
Theater für junges Publikum in Brandenburg und Sachsen-Anhalt


Heft 12/1978
Erinnerungen an Friedrich Wolf
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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