
Vorsicht Volksbühne!
Das Theater. Die Stadt. Das Publikum.
Broschur mit 92 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISBN 978-3-95749-172-5
- Sonderausgabe
Über 25 Jahre war die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz eines der einflussreichsten Schauspielhäuser im deutschsprachigen Raum. Im Zentrum der zusammenwachsenden Hauptstadt verwandelte das Ensemble um Frank Castorf die kulturellen Reibungen zwischen Ost und West in eine künstlerische Explosion ohnegleichen, polarisierte und verband, stand für die sozialen Demarkationslinien der Stadt und für ihre kollektive Kunstbesessenheit. Dem Ende der Ära, die 1992 mit Ivan Nagels visionärem „in drei Jahren berühmt oder tot“ begann, folgte ein die Gemüter aufwühlendes Zwischenspiel – und alle Fragen offen.
Die Sonderausgabe der Zeitschrift „Theater der Zeit“ dokumentiert das Symposium „Vorsicht Volksbühne!“ in der Berliner Akademie der Künste – mit namhaften Teilnehmern wie Christian Grashof, Thomas Oberender und Nele Hertling – und nähert sich darüber hinaus in Fotografien und Essays, etwa von Wolfgang Engler, Thomas Köck und Guillaume Paoli, der Vergangenheit und möglichen Zukunft der Volksbühne an mit einem umfassenden Blick auf Theater, Stadt und Publikum.
Mit Beiträgen von Evelyn Annuß, Anna Bergmann, Amelie Deuflhard, Klaus Dobbrick, Klaus Dörr, Wolfgang Engler, Christian Grashof, Annett Gröschner, Nele Hertling, Ulrich Khuon, Ulrike Köhler, Iris Laufenberg, Klaus Lederer, Thomas Martin, Hartmut Meyer, Thomas Oberender, Frank Raddatz, Hannah Schopf, Esther Slevogt, Staub zu Glitzer (Nils Bunjaku), Kathrin Tiedemann, Klaus Völker.
Die digitale Ausgabe im Original-Layout:
„Kein schwierigerer Vormarsch als der zurück zur Vernunft!“, schreibt Brecht im „Messingkauf“-Fragment. Nicht leicht, zurückzufinden zur Vernunft in der festgefahrenen Debatte um die Zukunft der Berliner Volksbühne. Was ist passiert? Die Intendanz Frank Castorfs, in der es gelungen ist, mit einem Team unverwechselbarer Künstler ein geschichtsbewusstes, aber gegenwartsbezogenes politisches Theater zu machen, hat am Rosa-Luxemburg-Platz nach 25 Jahren ein Ende gefunden, das viele als unnötige Zäsur verstanden haben. Chris Dercon, ein Fachmann im Bereich der Bildenden Kunst, wurde als Nachfolger berufen. Die Kulturpolitik hat es versäumt, der Belegschaft der Volksbühne, ihrem Publikum, der Stadtbevölkerung die ambitionierten Pläne zu vermitteln. Ein Theaterstreit ist entbrannt – ausgefochten nicht nur in den Feuilletons, sondern etwa auch mittels einer Theaterbesetzung. Nach sieben Monaten bricht Dercons Arbeit vorzeitig, aber nicht unerwartet ab. Wie weiter?
Um Wege aus der Krise zu zeigen, hat die Akademie der Künste, Berlin, mit Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa einen „Kongress aus gegebenem Anlass“ organisiert – mit dem bedeutungsschweren Titel „Vorsicht Volksbühne!“. In drei Panels wurde fachkundig über den „Mythos Volksbühne“, die strukturellen Bedingungen der Kunstproduktion und die Bedeutung des Theaters für die Stadt diskutiert. Gerahmt wurde die Veranstaltung von kenntnisreichen und meinungsstarken Kurzstatements und pointierten Schlussbemerkungen. Die vorliegende Sonderausgabe der Zeitschrift „Theater der Zeit“ dokumentiert die vielseitigen Debattenbeiträge.
Darüber hinaus findet sich in dem Heft die Arbeit „No Future – A Masterplan“ des Künstlers J. Michael Birn, die anhand des Areals um den Rosa-Luxemburg-Platz „die Brüche bei der Suche nach umfassender gesellschaftlicher Erneuerung“ zeigt.
Unter dem Titel „Denkzeichen“, angelehnt an das Online-Medium der Volksbühne, das in den letzten Jahren Denkräume über das Theater hinaus geöffnet hat, sind in Fortführung und Erweiterung der Diskussionsveranstaltung die Stimmen verschiedener Generationen versammelt:
Der Dramatiker Thomas Köck, der Kultursoziologe Wolfgang Engler, die Autorin Luise Meier, der Publizist Jakob Hayner, der Philosoph Guillaume Paoli, der Theaterwissenschaftler Joachim Fiebach, der Schriftsteller Friedrich Dieckmann und der Theaterkritiker Peter Laudenbach beziehen klare Position, was die Tradition und mögliche Zukunft des Schlachtschiffs Volksbühne anbelangt. Ein kurzer Abriss des Berliner Kulturkampfs soll helfen, den Überblick zu bewahren angesichts intransparenter und sich überstürzender Ereignisse. Das Heft schließt mit einem lautstarken Zwischenruf des Volksbühnen-Matadors Henry Hübchen.
Jeder Vorstoß in dieser Debatte – sei es, Castorf zurückzugewinnen, eine kollektive Intendanz einzuführen, oder, das Theater vorerst geschlossen zu lassen – muss nicht darauf geprüft werden, ob er nachvollziehbar oder gut gemeint, sondern ob er vernünftig ist, das heißt: umsetzbar und förderlich, um ein relevantes Theater auf der Berliner Bühne wieder stattfinden zu lassen. Ein solcher, wenngleich schwieriger, Vormarsch wäre lohnenswert.
Klaus Lederer, Harald Müller und Erik Zielke
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Editorialvon Harald Müller, Erik Zielke und Klaus Lederer | Seite 1 |
Vorsicht Volksbühne! Ein Kongress aus gegebenem Anlass | |
Begrüßungvon Jeanine Meerapfel | Seite 3 |
Wider das Zufallstheatervon Klaus Völker | Seite 4 |
Vier-Punkte-Planvon Evelyn Annuß | Seite 7 |
Manufaktur Volksbühnevon Thomas Oberender | Seite 10 |
Wem gehört die Volksbühne?von Kathrin Tiedemann | Seite 13 |
Kultur ist Erzählungvon Thomas Martin | Seite 15 |
Panel 1. „Mythos Volksbühne“von Hartmut Meyer, Frank Raddatz, Annett Gröschner, Oliver Kranz, Thomas Martin, Klaus Dobbrick und Ulrike Köhler | Seite 20 |
Panel 1. Hallo, hört mich jeder?Eine performative Interventionvon Mex Schlüpfer | Seite 27 |
Panel 2. Stadttheater, Produktionshaus oder beides?von Dorte Lena Eilers, Wolfgang Engler, Ulrich Khuon, Esther Slevogt, Anna Bergmann und Iris Laufenberg | Seite 29 |
Panel 3. Volksbühne – ein Theater in Berlinvon Amelie Deuflhard, Silvia Fehrmann, Christian Grashof, Klaus Dörr, Nils Bunjaku, Janis El-Bira und Hannah Schopf | Seite 39 |
Versuch einer Zusammenfassungvon Nele Hertling | Seite 50 |
Besser scheiternvon Klaus Lederer | Seite 52 |
No Future – A Masterplanvon J. Michael Birn | Seite 56 |
Denkzeichen. Essays für eine Zukunft der Volksbühne | |
ParentheseTheaterkunst an der Volksbühne ist nicht ohne ein Nachdenken über Politik möglichvon Thomas Köck | Seite 61 |
Meta-Realität kontra ästhetischer PopulismusWarum Ensemble und Langsicht ein wirklich freies Theater erst ermöglichenvon Wolfgang Engler | Seite 63 |
Die Volksbühne als FeierabendbierWarum der Ausverkauf des Arbeitertheaters schon in seiner Geschichte angelegt istvon Luise Meier | Seite 65 |
Orte der ÜberschreitungFantasie und Vorstellungskraft sind unerlässlich für eine politische Erneuerung der öffentlichen Geografievon Jakob Hayner | Seite 68 |
Wer erklärt die Stadt?Eine Bühne für Hass und Humor in Zeiten des Stadtmarketingsvon Guillaume Paoli | Seite 71 |
Altes denken für ein NeuesDie Revolution im Theater muss nicht neu erfunden, sondern fortgeschrieben werdenvon Joachim Fiebach | Seite 73 |
Warten auf den Neuerervon Friedrich Dieckmann | Seite 75 |
Notwendig falsches BewusstseinÜber das Verhältnis von Recherche und Ressentiment in der Auseinandersetzung um die Intendanz Chris Derconsvon Peter Laudenbach | Seite 78 |
Chronik | Seite 84 |
Verkauft!Ein kurzer Abriss des Berliner Kulturkampfs um die Volksbühnevon Erik Zielke | |
Was wird mit der Volksbühne?von Henry Hübchen | Seite 87 |
Impressum | Seite 88 |
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