Alle Beiträge von Jens Fischer
Auftritt
Anhaltisches Theater Dessau: „Die Eumeniden“ von Aischylos. Nachdichtung und szenische Bearbeitung von Walter Jens. Regie Christian von Treskow, Bühne Nicole Bergmann, Kostüme Kristina Böcher
von Jens Fischer
Es wird Großes passieren. Nachdem Ungeheuerliches geschehen ist. Ein göttlicher Fluch initiierte eine Gewaltorgie biblischen Ausmaßes. Hass erzeugte Hass in der scheinbaren Unbedingtheit eines maschinellen Prozesses. All das liegt beim Herunterdimmen des Saallichtes in der Vergangenheit. Im Anhaltischen Theater Dessau vollziehen sich nur noch rückblickende Erzählungen, symbolische Gesten und Versuche eines Neuanfangs. Unheimlich posttraumatisch wirkt die Atmosphäre des gruselfinsteren…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020
Magazin
Die Schauspielerin Helen Wendt und die Costa Compagnie setzen ihr Projekt „Fight (for) Independence“ am Oldenburgischen Staatstheater mit einem Dokumentarfilm fort
von Jens Fischer
Absolute Freiheit klingt reizvoll, ist als Unabhängigkeit von jedwedem äußerlichen Zwang aber unmöglich in einer alles und alle miteinander verbindenden Wirklichkeit. Sie bleibt also ein abstrakter Begriff und eine relative Erfahrung: Erst das, was Ich-Bewusstsein determiniert – Sprache, Religion, Kultur, Familie, Werte – versetzt in die Lage, Freiheit zu verstehen als Möglichkeit, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu vollziehen.
Bei solchen Auseinandersetzungen geriet der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2020
Aktuelle Inszenierungen
Digitales Theater II: Splitscreenfilm, Web-Serien und Videokunst
von Jens Fischer
Menschliche Tragödien löst Covid-19 aus, sorgt für existenzielle Dramen – und ist für alle, die das Glück hatten, sich noch nicht zu infizieren, zumindest ein Trauerspiel, denn nur ein Heilmittel scheint gesellschaftlich wirksam: sich sozial und damit körperlich fernzubleiben. Wenn jeder Schritt, jede Geste aufeinander zu kritisch beäugt wird, jedes leidenschaftliche, vielleicht laut und feucht gesprochene Wort nur im Abstand von einigen Metern möglich ist, herrscht auch in den Theatern…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Magazin
Warum Pirkko Husemann, Künstlerische Leiterin der Schwankhalle Bremen, nach nur fünf Jahren das Haus verlässt
von Jens Fischer
Wohin mit den performativen Künsten? Diese Frage müssen sich Städte, in denen es Ausbildungs- und Spielstätten, eine Aufführungstradition sowie ein Fach- und Fan-Publikum gibt, nicht stellen. In Bremen indes, wo das Stadttheater der unangefochtene Platzhirsch bühnenkünstlerischer Angebote ist, gibt es all dies nicht. Zwar biete auch das Theater Bremen unter Michael Börgerding Abstecher in die performing arts, aber eben „nur“ Abstecher. Aus diesem Grund sollte die 2003 eröffnete Schwankhalle zu…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2020
Auftritt
Theater Osnabrück: „Kafka“ (UA) nach Texten von Franz Kafka. Regie Dominique Schnizer, Ausstattung Christin Treunert
von Jens Fischer
Ja, schreibt denn selbst ein Literaturgigant wie Franz Kafka nur über sich selbst? Jein, würde er wohl sagen; Prokurist Josef K. („Der Process“) und Landvermesser K. („Das Schloss“), das sei nicht er. Gregor Samsa („Die Verwandlung“) schon gar nicht. Selbst der „Brief an den Vater“ schriftstellerische Fiktion, Vateraustreibung mit allerdings starken autobiografischen Bezügen. Auf solche stürzt sich der Schauspieldirektor des Theaters Osnabrück, Dominique Schnizer. Denkt sich solche Bezüge für…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2020
Auftritt
Theater Kiel: „Amsterdam“ von Maya Arad Yasur. Regie Josua Rösing, Ausstattung Michael Lindner
von Jens Fischer
Treffen sich drei, sagen wir mal, Drehbuchautoren auf der Studiobühne des Kieler Schauspielhauses und platzen geradezu vor Einfällen, ein Stück zu schreiben. In Amsterdam soll es spielen, so viel steht fest. Ist die Grachtenmetropole doch, trotz des Erfolgs der rechtspopulistischen Partei von Geert Wilders, ein Symbol für Weltoffenheit und lobt sich selbst im Stadtwappen für die Widerstandsverdienste im Zweiten Weltkrieg mit den Worten „Heldhaftig, Vastberaden, Barmhartig“ – also heldenhaft,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2019
Auftritt
Landesbühne Niedersachsen Nord: „Caligula / Julius Caesar“ (DSE) von Albert Camus und Peter Verhelst. Regie Robert Teufel, Ausstattung Angelika Wedde
von Jens Fischer
Macht macht Lust auf mehr Macht. Wie das dem machtlosen Volk zu verkaufen ist, ohne dass es rebelliert? Das trainiert Julius Caesar in der nach ihm benannten deutschsprachigen Erstaufführung eines Textes von Peter Verhelst, den Robert Teufel an der Landesbühne Niedersachsen Nord als Prolog für einen klugen Männerabend im Herrschergewand nutzt. Macht macht auch mächtig frei, so frei, eine Willkürherrschaft zu errichten, wie ein paar Jahre später der wahnwitzige Imperator Caligula in dem nach…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2019
Auftritt
Theater Bremen: „Attentat oder frische Blumen für Carl Ludwig“ (UA) von Mehdi Moradpour. Regie Pınar Karabulut, Bühne Bettina Pommer, Kostüme Bettina Werner
von Jens Fischer
Mit eindrücklichem Theaterdonner als programmatischem Versprechen die Aufmerksamkeit des Publikums nach der Sommerpause zurückzugewinnen ist Aufgabe der Saisoneröffnungsproduktion. Klug vorbereitet schien das Theater Bremen. Es engagierte die als super feministisch, super lustvoll durchgeknallt geltende Jungregisseurin Pınar Karabulut, die mit ihrer Vorliebe für trashiges Poptheater eine „humanoide Komödie“ des im Iran geborenen und seit 2001 in Deutschland lebenden Autors Mehdi Moradpour unter…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2019
Magazin
Das International Performing Arts Festival Outnow! in Bremen – eine virile Plattform für den Nachwuchs
von Jens Fischer
Zwei schwerstarbeitende Künstlerkörper im Schweiße ihrer Bewegungen. Dazu hüpfen Tropfgeräusche aus Eimern, schwellen an zu Großstadtlärm. In dessen Rhythmus kompiliert Tänzer und Choreograf Hamdi Lakhdher den Bewegungskanon von Bauarbeitern und häuslichen Tätigkeiten, addiert Breakdance-Akrobatik, zitiert feierabendliche Männerrituale. Hetzt mit einem weiteren Tänzer selbstbehauptungswillig hin und her zwischen all den Anforderungen. Beide pendeln sich dabei lustvoll erschöpfend auf die…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2019
Auftritt
Stadttheater Bremerhaven: „Extremophil“ von Alexandra Badea Regie Tim Egloff Ausstattung Cornelia Schmidt
von Jens Fischer
Flugzeuge, Schmetterlinge, rosa gebratener Lammlachs, wohlige Wohlstandssattheit – nein, sie spüren nur „diese Leere im Bauch“. Haben immer schneller, besser, schöner Markttauglichkeit bewiesen und sich dabei verloren. Ihr Leben ist die Arbeit, ist nur Mittel zum Karrierezweck, längst nicht mehr genussvoller Ausdruck, also Verwirklichung der Persönlichkeit. Eine Entfremdung. Die damit einhergehenden Kompromisse und Lebenslügen führen allerdings nicht zum Vergessen der eigentlichen Motivation,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2019
Protagonisten
von dieser Emanzipation: „Lulu“ in Zeiten von #MeToo in Wilhelmshaven und Bremen
von Jens Fischer
Die Angstlust des Mannes vor der begehrenden Frau wird Gestalt im „Urweib“ als „wildem Tier“. So wie Frank Wedekind seine Lulu in der schwül temperierten „Monstertragödie“ wider die wilhelminische Heuchlermoral entwarf. Eine Femme fatale der vorletzten Jahrhundertwende, undomestiziert, unwiderstehlich, ungezügelt – Unheil bringend. In den Hirnen des Stückpersonals irrlichtert sie als Ausbund fataler Weiblichkeit, bedroht also das klassische Geschlechterbild von männlicher Dominanz – und regt…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2019
Protagonisten
Unter neuer Intendanz zeigt sich am Landestheater Detmold auch der neue Schauspielchef Jan Steinbach ambitioniert
von Jens Fischer
Nicht nur die Chefetage ist neu besetzt. 40 der 273 Beschäftigten nehmen frisch engagiert ihre Arbeit auf. Aufbruchseuphorie im ehemaligen Hoftheater des Fürstentums Lippe mitten in Detmold. Im heutigen Landestheater. Alles steht auf Anfang. Nichts wie hin. 19 Uhr. In der idyllisch ums Residenzschloss kuschelnden, zur Geisterstadt geleerten City herrscht zu dieser Zeit schon aufgeräumte Ruhe. Nur an Theatertagen huschen zu solch später Stunde noch mal kurz bis zu 650 Menschen aus dunklen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2019
Auftritt
Theater Osnabrück: „Nähe“ (UA) von Mario Wurmitzer. Regie Ron Zimmering, Bühne Ute Radler, Kostüme Benjamin Burgunder
von Jens Fischer
Als Passanten, Wanderer, Träumer, Malocher tritt das Stückpersonal erst mal stumm auf. Schlendert, läuft, stöckelt, schreitet, trottet, kickt scheinbar zielsicher über den elf Meter breiten, nur wenige Schritte tiefen Bühnenstreifen. Von links nach rechts. Ein Pilot in voller Montur ist noch beim Zähneputzen, die Geschäftsfrau schon am Telefonieren, eine Pensionärin mit dem Metalldetektor unterwegs auf der Suche nach etwas Wertvollem oder wenigstens jemand Hilflosem, für den sie sich nützlich…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2019
Auftritt
Oldenburgisches Staatstheater: „Russian Boy“ (UA) von Dmitri Sokolow. Regie Elina Finkel, Ausstattung Elena Bulochnikova
von Jens Fischer
Diese Flugzeuge im Bauch, das zärtliche Gefühl – Liebe! Da muss es einfach unschuldsweiße, leidenschaftsrote Rosen regnen. Aus Eimern und Kübeln werden sie an diesem Abend über derart Infizierte gekippt. Auf dass sie sich darin suhlen und ihre Partner in Wort und Tat streicheln. Beispielsweise Mischa (Fabian Felix Dott) seine Frau Lena (Agnes Kammerer). Einen Geschlechtsakt später ruft dieser bei Artjom (Fabian Kulp) an, seiner neuen Bekanntschaft aus der Gay-Sauna. Auch ihnen beiden ist das…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2019
Auftritt
Theater Bremen: „Nathan der Weise. Ein Weichmacher für den Glaubenspanzer“ nach G. E. Lessing von Gintersdorfer / Klaßen. Regie M. Gintersdorfer, Ausstattung K. Klaßen, Kostüme M. Aschenbrenner
von Jens Fischer
Schon wieder? Noch immer steht landauf, landab die vernunfthell Frieden stiften wollende Blankversfabel „Nathan der Weise“ auf den Theaterspielplänen. Das Thema scheint in der Ära der Kreuzzüge, zu der Lessings Stück spielt, genauso dringlich gewesen zu sein wie in unserer Zeit, die von islamistischem Terror, unverhohlen wieder zu Wort kommendem Antisemitismus, rassistisch infiltrierten Geflüchtetendebatten, AfD-Wahlerfolgen und Islamophobie geprägt ist. Ja, wie schön ist es da zu hören: Liebe…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2018
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