Alle Beiträge von Milo Rau
von Milo Rau
Milo Rau
Im Marketing heißt es bekanntlich streng nach Hegels „umso schlimmer für die Tatsachen“: Eine gute Geschichte darf man sich nie von der Wahrheit kaputt machen lassen. Das Gleiche gilt auch beim politischen Denken. Wie hätte sonst der Liberalismus die Finanzkrise und alle anderen Krisen des kapitalistischen Systems, wie hätte der Populismus die barbarische Blamage all seiner Werte im 20. Jahrhundert überstehen können? Und genau hier kommt Lenin wieder ins Spiel: der voluntaristische…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Rolf Bossart und Milo Rau
Rolf Bossart / Milo Rau
Rolf Bossart Die eigentlich verwirrendste Erfahrung an Breiviks Erklärung vor Gericht ist ja, dass man sich bewusst wird, dass die Ideologie, die darin vertreten wird, von vielen, von einer Mehrheit geteilt wird. Dass also das, was man in den Kommentaren auf sein 1500-seitiges Manifest als inkonsistentes Copy-Paste-Manöver eines asozialen Internetjunkies und Psychopathen abgetan hat, im Grunde eine ganz rationale und von vielen vertretene Weltanschauung ist.
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aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Frank Meyer und Milo Rau
Frank Meyer / Milo Rau
Frank Meyer Sie lassen Breiviks Gerichtsrede lesen von einer deutsch-türkischen Schauspielerin, einer Frau, einer Deutsch-Türkin, auch um da noch einmal eine Distanzierung hineinzubringen?
Milo Rau Genau, zum einen, um eine Distanzierung hineinzubringen, zum anderen, weil ich von Breivik weg will, mich interessiert dieser Mensch in diesem Moment nicht. Ich bin der Meinung, dass es noch zu früh ist, sich mit ihm als Mensch und mit seiner Tat zu befassen – das dauert wohl…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Valentin Groebner und Milo Rau
Valentin Groebner / Milo Rau
Milo Rau Sprechen wir über einen Begriff:
„Reenactment“. Sprechen wir über diese eigentlich so primitive ästhetische Form, die darin besteht, dass man ein Ereignis materiell nachbaut, es detektivisch erforscht und rekonstruiert, um es zu verstehen. In methodologischem Zusammenhang wird, soweit ich weiß, der Begriff „Reenactment“ zum ersten Mal vom britischen Archäologen und Historiker R. G. Collingwood Anfang des letzten Jahrhunderts verwendet. In einem Werk, das…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Milo Rau
Milo Rau
St. Galloises et St. Gallois!
Regardez mon visage: il est pâle comme la neige.
Regardez mes yeux: il sont ternes comme le ciel d’automne.
Ecoutez ma voix: elle n’a presque plus de force.
Et oui: La lutte pour la démocratie que j’ai menée pendant un mois; le cri intemporel de la liberté auquel j’ai prêté ma langue; et l’éclat aveuglant d’un futur digne et humain – ils ont consommés toutes mes forces.
Citoyens et Citoyennes!
Je l’avoue: J’ai douté de vous. Je vous ai critiqué sans…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Konrad Petrovszky und Milo Rau
Konrad Petrovszky / Milo Rau
Konrad Petrovszky What does „truth“ mean in case of the reenactment of the Ceauşescu process?
Milo Rau I think that a revolution can’t be adequately narrated. The documentaries I know always get tangled with some conspiracy theory because when you try to create a linear presentation of facts, you allow for paranoid interpretations. I realized that the inconsistencies have to be shown as what they are – conflicting truths. My inquiry can be explained with the help…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Wolfgang Höbel und Milo Rau
Wolfgang Höbel / Milo Rau
Wolfgang Höbel Herr Rau, Sie haben im März in Ihrem dreitägigem Spektakel „Die Moskauer Prozesse“ in der russischen Hauptstadt unter anderem die Verurteilung der Punkband Pussy Riot von Experten und Betroffenen auf die Bühne geholt und wollten nun für eine Filmversion der dokumentarischen Theater-Aktion abermals in Moskau drehen. Waren Sie überrascht, dass das russische Generalkonsulat Ihnen eine Einreise verweigert?
Milo Rau Es ist ein krasses Statement, mich nicht…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Julia Bendlin und Milo Rau
Julia Bendlin / Milo Rau
Julia Bendlin Milo Rau, Sie inszenieren einen dreitägigen Gerichtsprozess gegen „Die Weltwoche“. Was steckt dahinter?
Milo Rau Ich sehe die Zürcher Prozesse als eine Art geschichtsschreibende Dokumentation. Sie sind der Versuch, die zentralen Konfliktlinien unserer Gesellschaft in den letzten zehn Jahren aufzuzeigen. Mit einem möglichst breiten Spektrum an Akteuren. Insofern ist „Die Weltwoche“ eher ein Stichwortgeber. Ein sehr interessanter, finde ich, denn hier…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Rico Bandle, Roger Köppel und Milo Rau
Rico Bandle / Roger Köppel / Milo Rau
Rico Bandle/Roger Köppel Ihre „Moskauer Prozesse“ sollten das undemokratische Machtsystem Putins entlarven. Was ist die Botschaft, wenn Sie im demokratischen Rechtsstaat Schweiz eine Zeitung, die Teil eines pluralistischen Meinungsspektrums ist, vor Gericht stellen?
Milo Rau Ganz so einfach ist das nicht. Der Putin-Diskurs, den ich sehr genau studiert habe, ist ja sehr ähnlich wie der „Weltwoche“-Diskurs: Es geht um die Nation, um Minderheiten, Schwule,…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Alexandra Kedves und Milo Rau
Alexandra Kedves / Milo Rau
Alexandra Kedves Herr Rau, der Staat scheint sich vor Ihrem Projekt gefürchtet zu haben.
Milo Rau Das machte mich wirklich fassungslos. Eben hatte unser Staatsanwalt die Pussy-Riot-Vertreterin nach den Motiven für ihre Performance in der Kirche gefragt, sie sprach von eingeschränkter Kunstfreiheit, und ta-da, marschierten Beamte der Migrationsbehörde herein und behaupteten, ich hätte kein gültiges Visum. Es kam zum Hickhack zwischen meinen Anwälten – die waren ja…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Milo Rau und Julia Reichert
Julia Reichert / Milo Rau
Julia Reichert Sie wollen in Zürich einen Schauprozess führen. Warum?
Milo Rau Wenn der historische Kommunismus ein ästhetisches Format für die Ewigkeit hervorgebracht hat, so ist es das Format des Schauprozesses: bis ins letzte inszenierte, natürlich absolut verbrecherische Medien-Spektakel, wo sogar die Zwischenrufe abgesprochen waren und die Verurteilten als Schädlinge, als Feinde der Gesellschaft hingestellt wurden. Mich hat das seit meiner Kindheit fasziniert,…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Robert Pfaller und Milo Rau
Robert Pfaller / Milo Rau
Milo Rau Es gab im Projekt „City of Change“ den Vorwurf, ihr müsst euch eigentlich nicht um die Probleme anderer und der Ausländer kümmern. Man kennt das von der Einführung des Frauenstimmrechts, wo Männer gesagt haben, wir brauchen jetzt das Frauenstimmrecht, und darauf geantwortet wurde, dass die das doch selber machen sollen, ich bin gar nicht in der Situation! Bei uns wurde gesagt: Ihr seid doch gar keine Ausländer. Warum beschäftigt ihr euch jetzt mit der…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Milo Rau
Milo Rau
Hinter der seit vielen Jahren betriebenen, feinsinnigen Kunstübung der Repräsentationskritik erheben die gesellschaftlichen Realitäten selbst ihr Haupt und fordern ihr demokratisches Recht. Die Frage ist nicht mehr, ob man dieses oder jenes Theater, diese oder jene Partikularregelung befürwortet, sondern ganz schlicht folgende: ob man immer mehr Menschen gegen ihren Willen und gegen die Verfassung in eine Zweiklassengesellschaft und ihre überholten Mythen integrieren oder die…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Milo Rau
Milo Rau
Ich bin letztlich ein Pedant, jemand, der an die Atmosphäre von Dingen herankommen muss, indem er sich mit Menschen, Dingen oder Landschaften beschäftigt, die wirklich etwas damit zu tun haben. Wenn ich etwas über Tschetschenien mache, dann fahre ich nach Tschetschenien, um mir das genau anzusehen. Und nachher spielt es vielleicht gar nicht dort, aber es wird einen Geruch von Tschetschenien haben, weil in meinem Kopf das Bild Tschetschenien interessant geworden ist. Manche Leute…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
von Milo Rau
Milo Rau
Die Handlung von „Die letzten Tage der Ceauşescus“ ist die kollektive Anwesenheit in einem jedermann bekannten, mythischen Ereignis – und letztlich ist dieses Ereignis als historisches nur noch ein Vorbild, ein Vorwand. Der innerste Widerspruch des Realismus seit Flaubert, die unauflösbare Spannung zwischen Referenzialität und Darstellungspräsenz, zwischen kulturell tradiertem Vorbild und auf der Bühne (oder im Buch oder im Film) erschei nendem Abbild als Abfolge praktischer und…mehr
aus dem Buch: Die Enthüllung des Realen
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