Alle Beiträge von Joachim F. Tornau
Aktuelle Inszenierungen
Theater des Social Distancing: Audio-Walks und Drive-in-Theater in Oberhausen, Göttingen und Tübingen
von Elisabeth Maier, Joachim F. Tornau und Sascha Westphal
Theater Oberhausen: Mit Jelinek durch die Stadt
Wie bestellt und nicht abgeholt steht er da, im Gestrüpp unterhalb der großen Werbetafel für ein Möbelhaus und wartet vergeblich. Der Märchenprinz hat ausgedient, bei Elfriede Jelinek sowieso. Aber auch in der alltäglichen Wirklichkeit unserer Welt, die vom Glauben an den Konsum bestimmt wird. Während man auf der anderen Seite der viel befahrenen Straße in der Nähe des Oberhausener Hauptbahnhofs steht und dem immer ungeduldiger werdenden Daniel…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Auftritt
Landestheater Eisenach: „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller. Regie Christine Hofer, Ausstattung Dirk Seesemann
von Joachim F. Tornau
Du bist blass, Luise? Iwo. Diese Luise, ungebändigtes Blondhaar und Lederjacke überm pinkfarbenen Rock, ist tough. Auch wenn sie, wie es Friedrich Schillers stürmendes und drängendes Ränkespiel „Kabale und Liebe“ nun einmal vorsieht, den Intrigen der männlich Mächtigen hilflos ausgeliefert ist, auch wenn sie gelegentlich sprachlos wird ob deren Niedertracht: Ein schwaches Opfer ist sie nie. Selbstbewusst erhebt sie ihre Stimme – und was bei Schiller nur die Hoffnung auf ein besseres, ein…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2020
Auftritt
Staatstheater Kassel: „Intervention“ (UA) von Rebekka Kricheldorf. Regie Schirin Khodadadian, Ausstattung Ulrike Obermüller
von Joachim F. Tornau
Man macht sich viel zu selten Gedanken darüber, wie eigentlich die Droge aussieht. Nicht eine spezielle Droge, sondern die Droge an sich: die Drahtzieherin, die hinter jeder Berauschung steckt, sozusagen. Ist sie anziehend oder abstoßend? Sympathisch oder unsympathisch? Trägt sie überhaupt ein Gesicht? Dank des Kasseler Staatstheaters wissen wir nun: Oh ja, das tut sie. Es ist das von Jürgen Wink.
Wink ist so etwas wie der stille Star des Theaters in der documenta-Stadt. Seit 15 Jahren gehört…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2019
Gespräch
von Antje Thoms und Joachim F. Tornau
Frau Thoms, Sie haben die Kampagne „#rettedeintheater – keine Kulturwüste in Niedersachsen“ ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?Das war sehr spontan. Bei der Mitarbeiterbegrüßung zu Beginn der neuen Spielzeit redeten unser Intendant und die Verwaltungsdirektorin ausführlich darüber, dass den kommunalen Theatern in Niedersachsen vom Kulturminister des Landes eigentlich zusätzliche sechs Millionen Euro zugesagt worden seien, dass der Finanzminister diese Zahl im Haushaltsentwurf aber wieder auf…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2018
Auftritt
Deutsches Theater Göttingen: „Schwanengesang“ nach Franz Schubert. Regie Christian Friedel, Bühne Alexander Wolf, Kostüme Ellen Hofmann
von Joachim F. Tornau
Der Sinn des Lebens scheint Unsterblichkeit zu sein. Wer religiös ist, strebt nach dem ewigen Leben im Jenseits oder, je nach Glaubensgusto, nach der Wiedergeburt im Diesseits. Wer Kunst schafft, will in seinen Werken weiterleben. Und wer den Tod lieber ganz real überwinden will, der kann heutzutage auf die rasanten Fortschritte von Wissenschaft und Medizin hoffen.
Manchmal aber ist Unsterblichkeit auch nur eine Frage guten Marketings. Wie bei Franz Schuberts „Schwanengesang“ zum Beispiel. Der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2018
Thema
Eva Lange und Carola Unser leiten das Hessische Landestheater in Marburg seit dieser Spielzeit als Doppelspitze – und wirbeln sogleich viel Staub auf
von Joachim F. Tornau
Manchmal, sagt Eva Lange, lässt sie ihre Worte ein bisschen verspringen. „Ich sage dann: Ich bin ins Labor gegangen.“ Statt: ins Büro. Was ursprünglich nur ein kleiner Versprecher war, gefiel ihr beim Darübernachsinnen so gut, dass sie das Versehen mittlerweile mit Absicht wiederholt: „Es erschien mir sehr stimmig und augenfällig für das, was wir hier gemeinsam versuchen.“
Gemeinsam versuchen: Müsste man sich für nur zwei Wörter entscheiden, um zu erklären, welche Philosophie sich hinter der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2018
Auftritt
Deutsches Theater: „America First“ (UA) von Christoph Klimke. Regie Erich Sidler, Bühne Florian Barth, Kostüme Bettina Latscha
von Joachim F. Tornau
Was für eine Welt, was für ein Weltbild: Frauen sind Girls, wenn nicht Babys, deren Liebhaber Daddys und deren beste Freunde Diamanten. Marilyn Monroe hat diese Welt gespielt und besungen. Sie hat damit Karriere gemacht, vom Pflegekind zum Filmstar, vom Niemand zum Sexsymbol für Generationen von Männern. Sie musste sie aber auch spielen und besingen, weil ihr die Männer Hollywoods nichts anderes zutrauten. Weil die Rolle des platinblonden Dummchens von ihr erwartet wurde, auch im richtigen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2018
Auftritt
Schauspiel Hannover: „Eine Stadt will nach oben“ (UA). Regie Alexander Eisenach, Ausstattung Andreas Alexander Straßer und Julia Wassner
von Joachim F. Tornau
Ja, wie heißt er denn nun? In dem ambitionierten Theaterprojekt, welches das Schauspiel Hannover unter dem Titel „Eine Stadt will nach oben“ zum Spielzeitauftakt gestartet hat, wird der Held mal „Karl Siebknecht“ genannt, mal „Karl Siebrecht“. Munter geht das hin und her, nicht nur auf der Bühne, auch in den Publikationen des Theaters. Wäre das Absicht, es wäre geradezu raffiniert: Erinnert der eine Name an den Kommunistenführer Karl Liebknecht, klingt der andere nach Bürgerstolz, nach…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2017
Auftritt
Deutsches Theater Göttingen: „Antigone“ von Sophokles. Regie und Bühne Christian Friedel, Kostüme Ellen Hofmann
von Joachim F. Tornau
Das muss man sich erst einmal trauen: eine griechische Tragödie mit Happy End. Christian Friedel war bislang vor allem als Schauspieler bekannt, hat den Dorflehrer in Michael Hanekes Film „Das weiße Band“ oder den Hitler-Attentäter Georg Elser in Oliver Hirschbiegels „Elser“ gespielt. Am Deutschen Theater in Göttingen versuchte sich der 38-jährige Dresdner nun zum erst zweiten Mal in seiner Karriere auch als Regisseur. Er präsentierte eine mutige und moderne Fassung der „Antigone“ von…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2017
Auftritt
Staatstheater Kassel: „Das blaue Licht / Dienen“ (UA) von Rebekka Kricheldorf. Regie Schirin Khodadadian, Ausstattung Ulrike Obermüller
von Joachim F. Tornau
Rebekka Kricheldorf darf als eine der produktivsten Vertreterinnen ihres Fachs gelten. Mit beeindruckender Zuverlässigkeit schreibt die preisgekrönte Theaterautorin Stück um Stück – zumeist nicht nur eines im Jahr – für Bühnen im In- und Ausland. Ihr bester Kunde residiert jedoch in Nordhessen: Bereits zum sechsten Mal kam am Kasseler Staatstheater ein Auftragswerk der in Berlin lebenden Autorin zur Uraufführung. Schirin Khodadadian brachte „Das blaue Licht / Dienen“ auf die Studiobühne im…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2017
Auftritt
Hessisches Landestheater Marburg: „Schluckspecht“ (UA) nach dem Roman von Peter Wawerzinek. Regie Simon Meienreis, Ausstattung Mirella Oestreicher
von Joachim F. Tornau
Plötzlich, das Saallicht leuchtet noch, ist da dieses unscheinbare Männlein. Klein, das Haar schütter, der Körper unverkennbar vom Alkohol modelliert. „Das wär mein Platz gewesen“, sagt er und weist mitten hinein ins Publikum. „Jeder Mensch muss im Leben seinen Platz finden. Und das wär meiner gewesen.“ Doch der Mann kämpft nicht. Er lamentiert ein wenig, dann zieht er von dannen. Und gibt den Zuschauern beim Hinausgehen noch mit, was sie an diesem Abend lernen sollen: „Am Anfang ist der Säufer…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2017
Auftritt
Landestheater Detmold: „In einem dichten Birkenwald, Nebel“ (UA) von Henriette Dushe. Regie und Ausstattung Malte Kreutzfeldt
von Joachim F. Tornau
Der Satz ist eine oft ausgesprochene Zumutung, ein Imperativ der Unmöglichkeit: „Sei doch nicht so.“ Sei nicht so, wie du bist, heißt das. Sei so, wie ich, wie wir, wie die Gesellschaft dich haben wollen. Benimm dich. Funktioniere. Fast jeder hat diese Aufforderung schon einmal ausgesprochen, als Ultima Ratio der Kindererziehung oder als Stoßseufzer im Streit. Auch in Henriette Dushes Bühnenexperiment „In einem dichten Birkenwald, Nebel“, das jetzt am Landestheater in Detmold zur Uraufführung…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2016
Auftritt
Staatstheater Kassel: „Tyrannis“ (UA) von Ersan Mondtag. Regie und Ausstattung Ersan Mondtag
von Joachim F. Tornau
Wecken. Aufstehen. Anziehen. Bett machen. Klogang. Kochen. Hausmusik. Essen. Zähne putzen. Schlafen. Viel mehr passiert nicht bei der sonderbaren rothaarigen Familie, die fernab der Zivilisation in ihrem Häuschen im Wald lebt. Aber es wäre ein Euphemismus, von Routinen zu sprechen. Es passiert schlicht immer wieder dasselbe. Und nur das.
Gesprochen wird nicht, weil es nichts gibt, was der Rede wert wäre. Und abends macht sich Papa mit den immer gleichen Bewegungen einen Drink und setzt sich…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2016
Auftritt
Staatstheater Kassel: „Testosteron“ (UA) von Rebekka Kricheldorf. Regie Schirin Khodadadian, Ausstattung Ulrike Obermüller
von Joachim F. Tornau
„Bandenkrieg in Schlechtes Viertel eskaliert“, teilt die Nachrichtenzeile mit, die in Endlosschleife über die Bildschirme läuft. Und: „Steigende Mordrate im Problembezirk Schlechtes Viertel“. Die Bilder, die dazu zu sehen sind, zeigen das ganz normale Kassel. Vorbeifahrende Autos, die Fußgängerzone, nichts, was Angst machen müsste. Aufgenommen aber sind sie mit jener hauruckzoomenden Wackelkamera, die man aus der Kriegsberichterstattung kennt. Und die noch das belangloseste Bild mit Dramatik…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2013
Auftritt
Deutsches Theater Göttingen: „Lou Andreas-Salomé“ (UA) von Tine Rahel Völcker. Regie und Ausstattung Lutz Keßler
von Joachim F. Tornau
Damit das schon mal klar ist: „Ich bin nicht Lou Andreas-Salomé“, verkündet die junge Frau, die als schwarz gekleidete Lichtgestalt aus den Kulissen tritt. „Ich auch nicht.“ – „Ich auch nicht.“ – „Ich auch nicht“, sagen reihum zwei Männer und eine Frau, die sich neben ihr aufgestellt haben. Nur ein weiterer Mann, wie alle fünf im strengen Witwengewand, sagt nichts und lacht hysterisch. Auch eine Antwort.
Schlicht „Lou Andreas-Salomé“ hat die Berliner Dramatikerin Tine Rahel Völcker den…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2014
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