Alle Beiträge von Björn Hayer
Auftritt
Theater und Orchester Heidelberg: „Die Beleidigten. Belarus(sland)“ (DSE) von Andrej Kurejtschik. Texteinrichtung Jürgen Popig, Video Hanna Green
von Björn Hayer
Diktatoren hassen das Theater – insbesondere, wenn es sich auch noch als unabhängig, gar kritisch gebärdet. Passenderweise beginnt die szenische Lesung von Andrej Kurejtschiks Stück „Die Beleidigten. Belarus(sland)“ genau mit dieser Schmähkritik aus dem Mund von vielleicht Europas letztem Usurpator Alexander Lukaschenko. Gespielt wird der seit 1994 amtierende Präsident des titelgebenden Staates von Christina Rubruck. Am Rednerpult stehend, geißelt sie die Verlogenheit des Schauspiels,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2021
Auftritt
Nationaltheater Mannheim: „Land ohne Worte“ von Dea Loher. Regie Dominic Friedel und Annemarie Brüntjen
von Björn Hayer
Am Anfang war die tiefe Sehnsucht, nach den Körpern, die verschwunden waren. Jede Erinnerung an einen von ihnen gleicht nunmehr einem Ton, den Annemarie Brüntjen auf dem Flügel mal zart, mal wild anschlägt. Die Klänge verhallen in den geisterhaft leeren Rängen des Nationaltheaters Mannheim, das mit der One-Woman-Show „Land ohne Worte“ gewissermaßen sein eigenes Schicksal im Schatten der Corona-Pandemie reflektiert. Wonach Dea Lohers ursprünglich aus Erfahrungen einer Afghanistanreise…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2021
Look Out
Eine Wasserseele, die es nach Mannheim verschlagen hat – Die Schauspielerin Annemarie Brüntjen
von Björn Hayer
Wo sonst könnte man die 1993 in Oldenburg geborene Annemarie Brüntjen wohl eher antreffen als am Mannheimer Rheinufer? Seitdem wegen Corona nun auch das Theater lahmgelegt und die Zeit neu zu organisieren ist, gehören die schmalen Auen entlang des Flusses zu ihren bevorzugten Spazierorten. Inmitten der kurpfälzischen Sechziger-Jahre-Architektur findet das Nordlicht zumindest dort das ersehnte Wasser vor. Nicht leicht sei ihr der Ortswechsel gefallen. Ausgebildet an der Berliner…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Auftritt
Theater Heilbronn: „Germania 3. Gespenster am Toten Mann“ von Heiner Müller in einer Fassung von Axel Vornam und Mirjam Meuser. Regie Axel Vornam, Ausstattung Tom Musch
von Björn Hayer
Es ist die große, jedoch unvollendete Abrechnung mit der Moderne, an der Heiner Müller bis zu seinem Tod 1995 arbeitete: „Germania 3. Gespenster am Toten Mann“. Noch einmal versammeln sich dazu all die Schreckensfiguren und trügerischen Charismatiker des 20. Jahrhunderts auf der Bühne des Theaters Heilbronn: ganz vorneweg Stalin (Rahel Ohm), der nach markigen Wendungen wie „Der Mensch wiegt nicht mehr als seine Akte“ und ohnehin sei er nur „trübes Material“ schließlich bekennt, vor seinem…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2019
Magazin
Das Festival Grenzenlos Kultur am Staatstheater Mainz lotet aus, warum unser Begriff von „Normalität“ einer dringenden Erweiterung bedarf
von Björn Hayer
„Miau!“, „Heil, H…!“, „Nautische Nutte“ – wer der von Rimini Protokoll (Helgard Haug) arrangierten Performance-Inszenierung „Chinchilla Arschloch, waswas“ beiwohnt, dürfte sich sicherlich an konkrete Poesie erinnert fühlen. Wild wirbeln Sätze und Wörter durch den Raum. Allerdings nicht, weil dies die Textfassung vorsähe, sondern weil ein Teil der Schauspieler mit dem Tourettesyndrom lebt. Insofern „ist jeder Abend eine Uraufführung“, wie einer von ihnen verschmitzt sagt. Worum geht es? Die…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2019
Auftritt
Theater Heidelberg: „Der sechste Kontinent“ von L. Kittstein, B. Mikeska und M. Schneider. Regie B. Mikeska, Bühne B. Mikeska und S. Termath, Kostüme J. Klimczyk
von Björn Hayer
Die Schwüle steigt ihnen zu Kopf, überall sind gefährliche Mücken, „die Hitze ist wie eine Decke Blei“. Wo sich die Protagonisten des Stücks „Der sechste Kontinent“ befinden, ist tiefster Urwald, irgendwo im Nirgendwo der einstigen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Um ein Mittel gegen eine grassierende Tropenkrankheit zu finden, reist eine Medizinerin Ende des 19. Jahrhunderts in die gottlose Prärie. Doch ihre Bemühungen erweisen sich als vergeblich. Was bleibt, ist die Geschichte einer zuletzt…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2019
Protagonisten
Nach Querelen und Skandalen gelingt dem Theater Trier ein erstaunlicher Neubeginn: mit Unterhaltung, Politik und großen Gefühlen
von Björn Hayer
Wie oft erlebt man schon einmal, dass nahezu das gesamte Publikum eines großen Hauses am Ende einer Vorstellung Standing Ovations gibt? Eher selten. Und wenn das doch einmal der Fall sein sollte, hat man es als Kritiker schwer, etwaige Einwände vorzubringen. Im Fall von Ryan McBrydes Inszenierung von William Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia“ ist dies tatsächlich auch nicht nötig. Im Gegenteil: Aller Jubel ist gerechtfertigt und schon lange ersehnt. Die Aufführung scheint wie ein…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2019
Auftritt
Theater Heidelberg: „Zwischenraum (Istanbul – Heidelberg)“, Rechercheprojekt von Zinnure Türe (UA). Regie Zinnure Türe, Ausstattung Stephanie Karl
von Björn Hayer
Stücke über Migration, wohin man schaut. Überall begegnen uns Flüchtlingsschicksale, traurige Biografien, die von Entwurzelung und nicht erreichter Ankunft zeugen. Man kennt diese Stücke, wo sich dann im Laufe des Abends die Identitäten vermischen und nationale Grenzregime als Konstruktionen entlarvt werden. Zweifelsohne sind auch solcherlei inzwischen verstetigte Erzählmuster in der Uraufführung von „Zwischenraum (Istanbul – Heidelberg)“ vorzufinden. Doch Zinnure Türe, Autorin und Regisseurin…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2019
Auftritt
Theater Heidelberg: „Im Schatten kalter Sterne“ (UA) von Christoph Nußbaumeder. Regie Bernhard Mikeska, Bühne Steffi Wurster, Kostüme Romy Springsguth
von Björn Hayer
Dass sich die Naturwissenschaften spätestens seit Beginn der Moderne nicht mehr auf eine unpolitische Neutralität berufen können, veranschaulicht die inzwischen zum Klassiker avancierte Groteske „Die Physiker“ (1961) von Friedrich Dürrenmatt. Um eine zerstörerische Weltformel vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, haben sich die titelgebenden Forscher in eine Irrenanstalt zurückgezogen. Weniger Skrupel hegt – zumindest anfangs – der Protagonist in Christoph Nußbaumeders Drama „Im Schatten…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2018
Auftritt
Saarländisches Staatstheater: „Kafkas Haus“ nach Erzählungen von Franz Kafka. Regie Laura Linnenbaum, Bühne Valentin Baumeister, Kostüme Michaela Kratzer
von Björn Hayer
Seit einigen Jahren schon steht Kafka fast auf jedem Spielplan, obwohl er kein einziges Drama geschrieben hat. Doch die Intendanten wissen: Um Schulklassen ins Theater zu locken, ist der inzwischen kanonische Autor ein echter Garant. Oftmals fallen genau aus diesem Grund die inszenatorischen Annäherungen etwas gefällig aus. Am Saarländischen Staatstheater hat man nun mit Laura Linnenbaums fabelhafter Uraufführung „Kafkas Haus“ erfreulicherweise einen ganz anderen Weg eingeschlagen.
Sowohl aus…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2018
Look Out
Die Schweizer Schauspielerin Magdalena Neuhaus kämpft gegen abgewrackte Frauenklischees – auch jenseits der Bühne
von Björn Hayer
Unterwäsche, Unterwäsche, kurzer Rock, Unterwäsche“ – so fährt Magdalena Neuhaus, Jahrgang 1991, mit ihrem Finger nicht ohne Witz und Ironie die Liste ihrer bisherigen Rollen entlang, darunter Engagements in Klassikern wie William Shakespeares „Romeo und Julia“, Bertolt Brechts „Baal“ oder Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“. Schauspielerin wollte die in Bern geborene Charismatikerin schon seit ihrer Kindheit werden, als sie munter noch jede Gelegenheit nutzte, um eine Rede auf Familienfesten…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2018
Magazin
Zehn Tage voller Gefühlsturbulenzen und Selbsterkenntnisprozesse beim diesjährigen Heidelberger Stückemarkt
von Björn Hayer
Theodor W. Adornos berühmte Feststellung „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ könnte man als das Motto des diesjährigen Heidelberger Stückemarkts bezeichnen. Zehn Tage voller Gefühlsturbulenzen und schmerzhafter Selbsterkenntnisprozesse auf den Bühnen sind vorbei. Zehn Tage, in denen der Zuschauer allerlei Figuren begegnete, die mit sich oder mit ihrer Zeit hadern und gegen eigene Lebenslügen ankämpfen. In dem herausragend arrangierten Gastspiel von Ewald Palmetshofers „Vor Sonnenaufgang“…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2018
Auftritt
Theater Heidelberg: „Faust (Margarete)“ von Charles Gounod mit Texten aus Elfriede Jelineks „FaustIn and out“; „Faust“ mit Motiven aus „Faust II“ von Johann Wolfgang von Goethe
von Björn Hayer
Phänomenal, genial, radikal – so könnte man die von Charles Gounods Oper „Faust (Margarete)“ ausgehende Cross-over-Inszenierung der Erlösungsgeschichte des um Liebe und Wissen ringenden Wissenschaftlers am Theater und Orchester Heidelberg beschreiben. Angereichert mit Texten etwa von Schopenhauer und Schiller sowie insbesondere Elfriede Jelineks galligem Sekundärdrama „FaustIn and out“, erweist sich die Aufführung als spartenübergreifender Denkraum, der vor allem ein Thema des Stoffs…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2018
Look Out
Grazil und suggestiv – Die Schauspielerin Sophie Melbinger besticht durch ihre Bühnenpräsenz
von Björn Hayer
Ich bin ein großer Fan der blutigen und gewaltigen Griechen“, gibt die 1985 in München geborene Schauspielerin Sophie Melbinger süffisant lächelnd zu. Nicht minder schätzt sie die Pointiertheit eines Ödön von Horváth oder einer Elfriede Jelinek. Darstellen kann sie, die sich genauso sicher in William Shakespeares „Was ihr wollt“ wie in Henrik Ibsens „Nora“ zu bewegen weiß, im Grunde alles. Ihr mimisches Erfolgsrezept lautet schlichtweg: Suggestivität. Wer sie einmal auf der Bühne erlebt – etwa…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2018
Protagonisten
Das Saarländische Staatstheater in Saarbrücken sucht unter dem neuen Intendanten Bodo Busse noch nach echten Akzenten
von Björn Hayer
Was kann das Theater am besten? Traumszenerien entwerfen und der Wirklichkeit ins Auge sehen. Auf der einen Seite zur Imagination und zum Entgleiten aus den Fängen des Alltags verführen, auf der anderen gesellschaftliche Verkrustungen aufsprengen. Das Miteinander beider Tendenzen scheint die Signatur der neuen Intendanz am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken zu sein. Der 48-jährige und in Stuttgart geborene Bodo Busse, der zuvor als kreativer Kopf dem Theater Coburg vorstand, übernahm mit…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2018
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