Alle Beiträge von Sebastian Kirsch
Magazin
Maximilian Haas: „Tiere auf der Bühne. Eine ästhetische Ökologie der Performance“, Kulturverlag Kadmos, Berlin 2018, 334 Seiten, 26,90 EUR.
von Sebastian Kirsch
Der Wolf mag durch den Menschen zum Hund geworden sein, aber der Mensch konnte sich umgekehrt erst durch die Hund-Werdung des Wolfes als solcher begreifen. So etwa könnte man die doppelte Perspektive charakterisieren, die seit einiger Zeit aus den sogenannten Human-Aminal Studies eingefordert wird: Es geht in diesem recht jungen Forschungsfeld darum, die Einseitigkeiten einer Geschichtsschreibung und einer Wissenschaftstradition zu überdenken, in der Tiere allenfalls als passive Statisten der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2019
Thema
„Animal Farm“ von George Orwell in der Regie von Felix Ensslin und dem belgischen Agora-Theater am Forum Freies Theater Düsseldorf
von Sebastian Kirsch
„Die Geschichte hat dieses Stück schon lange abgespielt. Anstatt den Menschen zu befreien, sollten wir ihn überwinden, im Menschenpark den Menschen züchten.“ Im Medizinerkittel und mit strenger Mine unterweist Daniela Scheuren ihre sechs Mitspieler. Dem Publikum hat sie sich zuvor als Nachfahrin der Katze aus George Orwells Stalinismusparabel „Animal Farm“ vorgestellt, genauer: als Davongekommene, die den Glauben an den politischen Umsturz gegen den an Biochemie und Genetik eingetauscht hat…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2018
Magazin
Zum Ende kommen
von Sebastian Kirsch
Dieses wird die letzte Kolumne sein, die ich an dieser Stelle schreibe, und es ist gar nicht so leicht, nach ein paar Jahren „Kontexten“ ein passendes Ende zu finden. Gerne hätte ich die Reihe mit einer kleinen Variation über „Theater und Ende“ ausklingen lassen, zumal das Theater anscheinend eine besondere Beziehung zum Ende hat, von Hamlets „Der Rest ist Schweigen“ bis Becketts „Endspiel“, von Emilia Galottis seltsamer Erdolchung bis zu Noras finalem Türknall. Oder Schillers berühmte…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2017
Magazin
Martin Luther, (bühnen-)sprachgeschichtlich
von Sebastian Kirsch
„Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“ – „Aus einem verzagten Arsch fährt nie ein fröhlicher Furz.“ – „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Aber auch: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr.“ Und leider: „Man sollte ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecken, unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien.“ So geht er, der Luther-Sound, jener Herzton der deutschen Sprache, über den in diesem 500. Reformationsjahr durchaus heftig…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2017
Magazin
Zum Fall Hans Schleif
von Sebastian Kirsch
Fast ein wenig im restlichen Programm versteckt, läuft am Berliner Deutschen Theater seit 2011 ein bemerkenswertes Theaterstück: „Hans Schleif. Eine Spurensuche“, das der Schauspieler Matthias Neukirch – ein Enkel Schleifs – mit dem Regisseur Julian Klein entwickelt hat. Bei Schleif handelte es sich um einen berühmten Archäologen, Architekten und Bauforscher, der unter anderem ab 1927 die Ausgrabungen in Olympia mit leitete und dessen Modelle antiker Stätten bis heute im Berliner Pergamonmuseum…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2017
Magazin
Müller gut, Jelinek böse
von Sebastian Kirsch
„Das Drama wird von den deutschen Bühnen verdrängt. Der aus der freien Theaterszene kommende Trend zu Textflächen, Performances, Stückentwicklungen und dokumentarischen Formaten, die häufig durch die Arbeit mit sogenannten ‚Experten‘ für vermeintliche Authentizität werben, greift inzwischen immer mehr auf die Stadt- und Staatstheater über.“ Dieser alarmierende Befund stammt nicht von Gerhard Stadelmaier. Er eröffnet vielmehr das Konzept der prominent besetzten Tagung „Die Zukunft des Dramas“,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2017
Thema
Zur Aktualität des Chors im Theater
von Sebastian Kirsch
Seit gut 2500 Jahren steht bei Sophokles: Als Ödipus vom delphischen Orakel zu hören bekam, dass er sich „mit der Mutter vermischen müsse“, geriet er in Panik. „Und ich, als ich das gehört hatte, floh dorthin, wo ich niemals die Schandtaten, die mir das furchtbare Orakel vorhersagte, erfüllt sähe“, gibt der unglückliche Tragödienheld zu Protokoll. Vielleicht hätte Ödipus in Delphi aber besser zweimal hingehört, anstatt in kopfloser Angst eine Entscheidung zu fällen, die dann zu den bekannten…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2017
Magazin
Oder: Wie sieht man im Getümmel?
von Sebastian Kirsch
„So sieht also Weltgeschichte in der Nähe aus; man sieht nichts“ – diesen schönen Satz liest man in einem Essay mit dem Titel „Das hilflose Europa“. Der Essay wurde 1922 publiziert, sein Autor hieß Robert Musil, und das hilflose Europa war eines, das gerade durch den Ersten Weltkrieg gegangen war. Aber der Befund könnte auch dieser Tage niedergeschrieben worden sein. Denn falls wir uns zurzeit in der Nähe von so etwas wie Weltgeschichte befinden sollten – und es spricht ja einiges dafür –, so…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2017
Magazin
Über die Wiederverzauberung der Welt aus dem Geist des Utilitarismus
von Sebastian Kirsch
Bislang dachte man, ein schmutziger Wahlkampf bestünde darin, die Abfalltonnen der Gegner zu durchwühlen und den Dreck ans Licht zu zerren, sich selbst aber als Saubermann darzustellen. Seit 2016, mit den Überraschungserfolgen der Brexiteers, von Trump und seinen Geistesverwandten, kann man es nun besser wissen: Es gibt Politiker, die ihre Stärke daraus beziehen, ihren eigenen Dreck nicht nur nicht zu verbergen, sondern sich sogar mit ihm schmücken zu können. So war einer der wohl…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2017
Magazin
Düsseldorfer Gedankenspiele
von Sebastian Kirsch
Schreckensmeldung aus Düsseldorf: Wie Ende Oktober zu erfahren war, ist das schon länger nicht mehr bespielbare Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz derart marode, dass SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel bereits darüber nachdenkt, die Sanierung des Traditionshauses einem privaten Investor zu überlassen, der die Immobilie auch anderweitig nutzen könnte. Auch in Frankfurt, Stuttgart und Köln, wo man es mit ähnlichen Halbruinen zu tun hat, gab es Querelen; aber Geisels Gedankenspiel erreicht…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2016
Magazin
Kleine Galerie der Gegenkönige
von Sebastian Kirsch
Nun ist es so weit: US-Präsidentschaftswahlen 2016, und ein Kandidat heißt Donald Trump. Noch immer spürt man ein ungläubiges Staunen ob dieses Szenarios, das anno 2000 in der Fernsehserie „The Simpsons“ schon einmal als Gipfel einer absurden Zukunftsvision beschworen wurde. Allerdings: Vielleicht wird fernen Historikern der politische Aufstieg des Donald Trump gar nicht so außergewöhnlich vorkommen, wie er heute noch erscheinen mag. Eher dürfte sich mit etwas Abstand zeigen, dass auch diese…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2016
Magazin
Beim Lesen des Lukrez
von Sebastian Kirsch
Das Lehrgedicht „De rerum natura“ des römischen Dichters Lukrez ist einer der faszinierendsten Texte der Antike: eine hochpoetische Darstellung der epikureischen Lehre, die eine physikalische Theorie über den atomistischen Bau des Universums mit einer durch und durch pluralistischen, erstaunlich heutig anmutenden Glücksethik verbindet. „War Lukrez ein Hippie?“, fragte der Spiegel vor Kurzem sogar – und selbst in der reißerischen Schlagzeile im Bild-Stil spürt man noch echtes Erstaunen über die…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2016
Magazin
Anmerkung zu einem ewigen Streitfall
von Sebastian Kirsch
Zu den umkämpftesten Begriffen der Theatergeschichte gehört sicherlich die berüchtigte Mimesis, nach wie vor als Nachahmung diskutiert, obwohl Hervorbringung vermutlich die bessere Übersetzung wäre. Doch selbst wenn man sich auf die Vokabel der Nachahmung einlassen mag, ist ja nicht geklärt, was da eigentlich nachgeahmt wird. Der ewige Theaterstreit um die Mimesis jedenfalls heftet sich bis heute an eine prominente Auslegung, die man vielleicht auf einen Schulbuch-Platon zurückführen kann. Ihr…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2016
Magazin
Gute Wünsche zum Ende der Spielzeit
von Sebastian Kirsch
Günstige Zeiten für Theater sind nicht unbedingt Zeiten, in denen leicht zu leben ist. Schon ein flüchtiger Blick in jedes Lehrbuch für Theatergeschichte zeigt ja: Die europäische Bühne erlebte ihre „Blüten“ immer in jenen Schwellenzeiten, die von einem extremen Wandel aller Vorstellungen und Gebräuche geprägt waren. Man kann es regelrecht durchgehen: Zu den Entstehungsbedingungen der antiken Tragödie gehörten eine Transformation des „Orts des Heiligen“ und die Geburt des modernen Subjekts aus…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2016
Magazin
Neuigkeiten von Beckett
von Sebastian Kirsch
Zu den wunderbarsten Obskuritäten der Kinogeschichte gehört sicherlich die Zusammenarbeit zwischen Samuel Beckett und Buster Keaton, der Film „Film“ von 1965, der, pünktlich zu Beginn des Videozeitalters, die Frage stellte, was das Kino eigentlich gewesen ist – oder vielleicht eher: gewesen sein wird. Tatsächlich kann man das rund zwanzigminütige Kinostück als ein präzises Resümee und eine verdichtete Analyse der basalen Bild- und Wahrnehmungstypen entziffern, die den spezifischen Möglichkeiten…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2016
Weitere Beiträge anzeigen