Alle Beiträge von Horst Hawemann
von Horst Hawemann
Christel Hoffmann: Du hast mal gesagt, jeder Sitzplatz im Theater ist eine Minibühne. Wie hast du das gemeint?
Horst Hawemann: Vom Theater kann man nicht fordern, was man von den anderen Künsten überhaupt nicht verlangt, dass alle das gleiche Bild betrachten und es für sich selbst auf die gleiche Art und Weise verwerten. Dieser Kollektivismus ist einfach unsinnig. Das Traurige für mich ist dabei, dass meine Partner, die Zuschauer – für die ich vielleicht auch ein bisschen stellvertretend bin –…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Christel Hoffmann: Du hast die Erzählung Sommerstück von Christa Wolf mit Schauspielern in ländlicher Umgebung in einem Workshop gearbeitet.
Horst Hawemann: Ja, zusammen mit ihrer Erzählung Störfall.1 Gearbeitet haben wir in zwei Gruppen, die eine mit dem Text von Sommerstück,2 die andere mit dem von Störfall. Ich habe zu den Störfall-Spielern gesagt: „Hier habt ihr das Buch, sucht euch beunruhigende Texte aus und erzählt mir, warum ihr die machen wollt, was euch daran beunruhigt.“ Das haben…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Eines Tages wurde ich zufälliger Zeuge eines Gespräches zwischen zwei Schauspielern. Der eine, der sich selbst als „alten Hasen“ der Schauspielerei bezeichnete, aber nichts anderes als ein Schwätzer mit mangelndem Interesse fürs Zuhören war, malträtierte eine junge Schauspielerin mit sogenannten guten Ratschlägen. Er redete ununterbrochen auf sie ein. Sie hörte zu, demonstrierte Interesse und litt an der Vorstellung, auch so werden zu können wie der geschwätzige Kollege. Keine Schauspielschule…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Wie nimmt der Spieler meine Handlungsidee auf? Versteht er sie gleich, gar nicht oder falsch?
„Zerdiskutieren“ wir die Idee oder verlegen wir das Verstehen in das Ausprobieren? (Was gut wäre!)
Wie sieht die Idee im ersten Probenversuch aus? Hat sie Folgen? Wie beteiligt sich der Spieler an der Idee und durch welche Mittel?
„Wuchert“ die Idee herum oder orientiert sie sich an einem Ziel? Ist sie in der Phantasie angekommen oder wird sie nur bedient? Hat sie aktiviert, z. B. Lust gemacht?
Wie…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Sie hat den Standpunkt und er die Rennerei / Ins geistige Schwitzen kommen / Leben zwischen Privatkontakt und Großdarstellung / Öffentlich einsam arbeiten / „Sag Sau“ zu mir, damit ich spielen kann / Den Fußboden revolutionieren / Von der Berührung zur Verschwörung / Früher schabten sie an Bäumen / Irgendwo muss doch hier was zum Stolpern sein / Wer den Streit nicht mitmacht, mit dem ist man dann dreißig Jahre verheiratet / Sicherheitshalber so blöd stehen bleiben, für die Presse oder so /…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Natürlich haben Bühne und Zuschauerraum ein Verhältnis miteinander, manchmal auch gegeneinander. Die Bühnenhandlung verlässt das Podest und bewegt sich in einen anderen Raum. Der Zuschauerraum ist organisiert. Der Zuschauer sitzt geordnet und blickgerichtet, sehr begrenzt in seinen körperlichen Bewegungen. Er ist entgegennehmend eingestellt, zumeist für eine Leistung, für die er bezahlt hat. Er hält sich vor einem geöffneten Raum auf. Das Theater will etwas von dieser Begegnung, deshalb muss…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Die Rollentauschprobe:
Sie ist bekannt. Aber man darf sie nicht als eine „erzieherische Maßnahme“ verstehen oder daraus einen Wettbewerb machen. Der Rollentausch ist eher ein Spaß und sollte nicht erzwungen werden. Möchte ein Spieler sie nicht, weil sie ihn irritieren könnte, so ist das zu achten.
Die schwarze Probe:
Sie findet in völliger Dunkelheit statt. Auf Sicherheit achten. Es sollten eher komödiantische Situationen sein, die man in völlige Dunkelheit stellt.
Die schnelle Probe:
Es…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Ein allseitiges, umfangreiches Bekanntmachen mit einem Begriff durch eine Sammlung macht nicht nur zum Kenner des Wortes, sondern probiert auch das Wort aus, findet andere Zusammenhänge und schafft Assoziationen.
Zum Beispiel:
Die Anprobe.
Dabei überprüft man nicht nur, ob das Kostüm passt. Man will auch wissen, ob es funktioniert, ob es mitspielt, charakterisiert, erzählt und handelt, ob es die Figur unterstützt.
Die Leseprobe.
Man will nicht wissen, ob der Schauspieler lesen kann, schon…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Hier schlägt der Regisseur vor. Er beruft sich auf den Stand von gestern und bringt Entwicklungen mit für heute. Er ist vorbereitet. Er ist mit dem Bisherigen umgegangen und setzt Akzente, die eine Wiederholung interessant, vielleicht anders machen. Der Spieler erfährt neue Möglichkeiten im schon Bekannten. Das geschieht zumeist durch das intensive Entwickeln der einzelnen Ausdrucksmittel, die zuerst nur Vorschläge waren, jetzt aber ausgewählte Gestaltungsmittel werden sollen.
Ein…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Hier sollte man den Darsteller nur auffordern, sich an Probiertes zu erinnern. Er muss nicht unter dem Druck von Leistung stehen und Kritik fürchten. Er darf markieren, andeuten, zitieren und sollte auch die Zeit haben, sich zu erinnern, ohne dass ihm gleich reingerufen wird, was er vergessen hat. Den Spielleiter sollte viel mehr interessieren, was und warum etwas nicht erinnert wurde. Erinnern ist immer Handeln! Erinnern ist Wiederherstellung von Probiertem und nicht nur eine Ablieferung von…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Was der Darsteller ausprobiert hat, wird „behandelt“. Sein Angebot wird vom Spielleiter und anderen Zuschauern beschrieben. Schon die Beschreibung, entstehend vor allem aus Empfindungen, setzt Akzente. „Da hat der Spieler schon Überzeugendes gefunden“, empfand einer. „Es gab Unklarheiten, Durchhänger und Hilflosigkeiten, starke Entwicklungen, Auf-der-Stelle-Treten, Spreu und Weizen, Annäherungen an das Ziel und Entfernen. Es gab Perspektiven und Stillstand“, empfanden andere. Schöne Momente,…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Aus dem Talmud:
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.
Eine Bearbeitung für eine szenische Anwendung:
Achte auf die Worte, denn sie enthalten Gedanken.
Achte auf die Gedanken und suche nach Handlungen.
Achte auf die Handlungen, sie schaffen…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Erste Fragen am Beginn eines Probenprozesses:
Interessiert mich ein Stoff, ein Material, eine Szene oder ein Stück wirklich?
Beunruhigt es mich?
Will ich eine geraume schöpferische und anstrengende Zeit damit verbringen?
Wie bekannt oder unbekannt ist mir die Problematik?
Welche eigenen Erfahrungen binden sich an den Stoff?
Wie sammeln sich erste Umsetzungsideen? Aus dem Stoff oder über den Stoff?
Habe ich nur eine große Idee oder einen Haufen, im Material herumvagabundierende?
Wo…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Man hat eine Idee. Im Kopf. Da bleibt sie, auch wenn man sie anderen Köpfen mitteilt und weitergibt. Der Dichter ist Autor einer Idee und der Regisseur ist Autor von Gestaltungs- und Umsetzungsideen. Aber auch der Schauspieler besitzt eine gewisse Autorschaft, nämlich die der Darstellung, der unverwechselbaren individuellen Umsetzung durch seine besondere Begabung. Die Eigenwilligkeit seiner Person, die Ausstrahlung, seine Angebote, eigene Akzentuierungen und seine Wirklichkeitskenntnis machen…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
von Horst Hawemann
Oft wird etwas als Erfindung ausgegeben, was eigentlich eine Entdeckung ist. Aber das Entdecken ist ein schöner und wichtiger Vorgang und kommt in der Wirklichkeit häufiger vor als das wirkliche Erfinden. Eine Entdeckung ist der schöpferische Zugang zu und der Umgang mit dem Vorhandenen. Und es ist viel vorhanden. Sie ist die individuelle Aneignung von etwas Unbekanntem, die Neugier für Bekanntes, ein „Fremdgehen“, um zu eigenen Zielen zu kommen. Das Entdecken verringert die Verluste und findet…mehr
aus dem Buch: Horst Hawemann - Leben üben
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